Neue EU-Sanktionen gegen Russland verzögert
In letzter Minute haben die EU-Staaten ihren Zeitplan für die Verschärfung der Sanktionen gegenüber Russland geändert: Ursprünglich hätte das am Freitag auf Botschafter-Ebene verhandelte Paket am Montag "grünes Licht" von den Regierungen bekommen und am Dienstag in Kraft treten sollen.
Doch am Montag meldeten einige Staaten – dem Vernehmen nach allen voran Finnland – Bedenken an: Sie wollten angesichts der Waffenruhe in der Ostukraine noch etwas zuwarten – und die Sanktionen erst verschärfen, wenn der Frieden nicht mehr hält. Der ursprüngliche Plan hatte vorgesehen, das neue Maßnahmen-Paket gleich in Kraft treten zu lassen – und bei beständiger Waffenruhe wieder aufzuheben.
Montagnachmittag wurde kurzfristig ein neuerliches Treffen der Botschafter einberufen. Am Abend verkündete Ratspräsident Herman Van Rompuy den Kompromiss: Alle Hauptstädte haben am Montag zugestimmt – damit sind die schärferen Sanktionen beschlossen. Allerdings kommen sie verzögert: Erst "in ein paar Tagen" (Van Rompuy) sollen sie im Amtsblatt der Union veröffentlicht und damit wirksam werden. Das, so der Ratspräsident, "lässt Zeit, um die Umsetzung der Waffenruhe und des Friedensplans zu bewerten". Abhängig von der Situation in der Ukraine sei man "bereit, die Sanktionen gänzlich oder teilweise zu überprüfen". Am Mittwoch sollen die EU-Botschafter erneut beraten.
Gazprom im Visier
Mit dem geplanten Beschluss verschärft die EU ihr Maßnahmen-Paket gegen Moskau in allen Bereichen.
Für fünf staatlich kontrollierte Banken – darunter VBT und Sberbank – wird es künftig noch schwieriger, am EU-Kapitalmarkt zu agieren: Seit Ende Juli dürfen sie nur Mittel mit einer Laufzeit von maximal 90 Tagen aufnehmen; jetzt wird diese Frist auf 30 Tage begrenzt.
Betroffen sind laut Verhandlern auch die Ölkonzerne Transneft und Rosneft sowie Energie-Riese Gazprom, genauer: dessen Ölsparte und Bank. Auch ihnen soll es verboten sein, sich in der EU Geld für länger als 30 Tage zu borgen. Der Kreml ließ wissen, dass Rosneft auf staatliche Finanzhilfe zurückgreifen könne.
Den drei Rüstungsunternehmen Oboronprom, United Aircraft und Uralvagonzavod wird die Kapitalaufnahme in der EU gänzlich untersagt. Sie dürfen weiters keine neuen Verträge abschließen, die die Ölförderung in der Tiefsee bzw. Arktis oder Schiefergasprojekte betreffen.
Moskau droht
Sollten die Sanktionen schließlich in Kraft treten, so hat der Kreml schon gedroht, werde man antworten. Und auch jetzt schürt Moskau Ängste vor einer Gaskrise. Wie die Financial Times berichtet, will Energieriese Gazprom EU-Länder hindern, russisches Gas, das sie selbst importiert haben, an die Ukraine weiterzuleiten. Russland drohe "ziemlich offen" damit, seine Gaslieferungen nach Europa zurückzufahren, dass kein überschüssiges Gas mehr in die Ukraine geliefert werden könne, heißt es dem Bericht zufolge in der EU-Kommission.
Als Antwort auf das Näherrücken der NATO an Russland will Moskau einen ständig besetzten taktischen Stützpunkt in der Arktis in Betrieb nehmen. Dort sollen Armee, Grenz- und Zivilschutz bei der Kontrolle des westlichen Teils der Nordostpassage zusammenwirken. Sie ist mit rund 6000 km Länge der kürzeste Weg von Europa nach Fernost und wegen des Klimawandels inzwischen fast ganzjährig befahrbar. Vor allem aber: In der Arktis lagert rund ein Viertel der weltweit erkundeten Öl- und Gasreserven mit einem Gesamtwert von mindestens 30 Billionen US-Dollar.
Der russische Premier Medwedew deutete an, dass Moskau auf neue EU/USA-Sanktionen im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise mit Gegenmaßnahmen antworten könnte. So sei an Überflugverbote für westliche Airlines gedacht. Zahlreiche westliche Lebensmittel dürfen bereits nicht mehr nach Russland eingeführt werden.
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