Netanjahu vor der UNO - er lässt den angedrohten Schritt bleiben

Den harschen Gegenwind, der Benjamin Netanjahu bei seinem Auftritt vor der jährlichen Generalversammlung der UNO entgegenweht, ist der israelische Premier gewohnt. Aber auszuweichen entspricht nicht dem Stil des israelischen Regierungschefs - im Gegenteil stellte sich Netanjahu am Freitag im großen Sitzungssaal der UNO in New York gewohnt angriffig gegen seinen Kritiker. Pfiffe und Buhrufe begleiteten seine Ankunft im Saal, während andere begeistert Bravo riefen und klatschten.
Fast alle Gegner, vom Iran bis zum Jemen, habe Israels im Vorjahr ausgeschaltet, sagte er, aber Reste der Hamas in Gaza kämpften noch, "und deswegen müssen wir den Job beenden". An die noch verbliebenen 20 lebenden Geiseln richtete sich Netanjahu, über Lautsprecher in Gaza errichtet, auch direkt: "Wir vergessen Euch nicht, wir bringen jeden von Euch nach Hause."
Jede Anschuldigung, Israel begehe in Gaza Völkermord, wies Netanjahu kategorisch zurück: "Absurd". Israel sorge vielmehr für Lebensmittel in Gaza, habe seit Kriegsbeginn zwei Millionen Tonnen Lebensmittel nach Gaza bringen lassen. Doch einen Schritt, der gerüchteweise vor seinem UNO-Auftritt aufgekommen war, vollzog Netanjahu nicht: die Annexion des palästinensischen Westjordanlandes durch Israel.
Kritik an den Staaten, die Palästina anerkennen
Mehrere westliche Staaten, darunter Großbritannien, Frankreich, Kanada und Australien hatten diese Woche eine gewaltige Wende in ihrer Haltung zu Israel vollzogen. Sie haben demonstrativ einen palästinensischen Staat anerkannt - als Signal, dass der Krieg in Gaza enden müsse und dass sich Israel einer politischen Lösung für die Palästinenser nicht länger verweigern dürfe. Mit dem Ziel: ein eigener Staat Palästina, neben dem Staat Israel.
Worauf ein empörter Netanjahu antwortet: Diese Regierungschefs dieser Staaten trügen ein "Mal der Schande - denn sie haben die Hamas belohnt:" Und er stellte klar: "Wir werden euch nicht erlauben, dass Israel nationalen Selbstmord begeht." Einen palästinensischen Staat werde es nicht geben.
Die wütende Antwort der rechtesten Minister der Regierung in Jerusalem hatte vor einigen Tagen gelautet: Netanjahu müsse die Idee eines eigenen palästinensischen Staates verhindern, indem er auch gleich das Westjordanland annektiert und damit alle Chancen für die Bildung eines eigenen palästinensischen Staaten ein für alle mal beseitigt. Und tatsächlich hatte der Premier noch vor seiner Ankunft in New York versprochen: Er werde "entschieden reagieren".
Trump stellt sich quer
Doch dagegen stellt sich US-Präsident Trump quer: Die israelische Annexion des Westjordanlandes würde die jahrelangen amerikanischen Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehungen Israels zur arabischen Welt im Rahmen der Abraham-Abkommen zunichte machen. Diese Abkommen aber betrachtet Trump aber als den größten außenpolitischen Erfolg seiner ersten Amtszeit. Entsprechend deutlich machte der Herr des Weißen Hauses bereits vor Netanjahus Rede in der UNO klar: . „Ich werde es Israel nicht erlauben, das Westjordanland zu annektieren“, versprach Trump. "Das wird nicht passieren. Es reicht jetzt."
Bei einem Treffen mit arabischen und muslimischen Führern am Rande der UN-Generalversammlung hatten ihm die Politiker des Nahen Ostens verdeutlicht: Dieser angedrohte Schritt Israels wäre eine Rote Linie. Sollte Israel seine Drohung das Westjordanland zu annektieren, nicht aufgeben, würden sich besonders die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) fragen müssen, warum sie ihren Teil des Abraham-Abkommens einhalten sollten:
Während der Jahre des Gaza-Krieges fungierten die VAE als wichtiges Bindeglied zwischen Israel und der Außenwelt. Sie pflegten wirtschaftliche und diplomatische Beziehungen und hielten den internationalen Flugverkehr aufrecht, als andere Länder dies nicht taten
Die USA haben indessen erneut einen Friedensplan vorgelegt: Der 21-Punkte-Plan soll die Interessen Israels als auch die seiner Nachbarstaaten einbeziehen, heißt es. Gefordert wird darin etwa eine dauerhafte Waffenruhe, die Freilassung der Geiseln, den schrittweisen Rückzug der israelischen Armee aus dem Gazastreifen und einen Vorschlag für eine Regierung ohne Beteiligung der Hamas. Die arabischen Staaten sollen bei ihrem Treffen mit Trump Unterstützung für den Plan signalisiert haben.

Pro- und antiisraelische Proteste in Manhattan, in der Nähe des Hotels von Netanjahu
Israel und das Westjordanland
Israel hatte das Westjordanland im Sechs-Tage-Krieg 1967 gegen eine Koalition arabischer Länder erobert. Seitdem ist die Zahl der israelischen Siedlungen in dem besetzten Gebiet stark gewachsen: Etwa 700.000 Siedler leben dort inmitten von 2,7 Millionen Palästinensern.
Im August hatte zudem ein weltweit verurteilter israelischer Siedlungsplan die endgültige Genehmigung erhalten. Das Projekt würde das Westjordanland durchschneiden und von Ost-Jerusalem abtrennen. Der ultrarechte israelische Finanzminister Bezalel Smotrich sagte dazu: "Damit damit wird ein palästinensischer Staat vom Tisch gefegt“.
Am Montag will Trump Israels Ministerpräsidenten im Weißen Haus empfangen. Zum Westjordanland wollte sich Netanjahu dann erst nach seiner Rückkehr nach Israel äußern.
Kommentare