Nemzow-Mord: Kadyrow und die kaukasische Spur

Einer der Attentäter stammt aus dem Umfeld des tschetschenischen Präsidenten. Der ist voll des Lobes. Kritiker zweifeln an dieser Version der Geschichte.

Dass die Ermittler im Mordfall Nemzow so rasch eine Spur gefunden haben, ist für russische Verhältnisse überraschend – im Regelfall ist die Aufklärungsquote bei politischen Verbrechen gering. Doch in diesem Fall hat der Fahndungserfolg eine zusätzliche politische Komponente: Einer der mutmaßlichen Attentäter hat nämlich im Umfeld des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow gearbeitet.

Er ist einer der fünf Männer, die gestern in Moskau dem Richter vorgeführt worden sind (mehr dazu hier) – und er ist der einzige Geständige. Saur Dadajew soll, bevor er zum radikalen Islamisten geworden ist, Vizekommandeur des tschetschenischen Sonderbataillons "Nord" gewesen sein - Chef des Bataillons ist Alibek Delimchanow, Bruder eines Duma-Abgeordneten und Cousin von Republikchef Kadyrow. Dadajew wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Tapferkeitsorden.

Lob für mutmaßlichen Täter

Nemzow-Mord: Kadyrow und die kaukasische Spur
Zaur Dadayev, charged with involvement in the murder of Russian opposition figure Boris Nemtsov, speaks inside a defendants' cage inside a court building in Moscow, March 8, 2015. Two men have been charged with involvement in the murder of Russian opposition figure Boris Nemtsov, the spokeswoman for a Moscow court told reporters on Sunday. The two charged are Anzor Gubashev and Zaur Dadayev, said Anna Fadeyeva, spokeswoman for the Basmanny district court. REUTERS/Tatyana Makeyeva (RUSSIA - Tags: CRIME LAW POLITICS)
Kadyrow selbst hat die Ermittlungen im Mordfall am Sonntag erstmals kommentiert – und für Dadajew fand er nur lobende Worte. „Ich kannte Saur als wahrhaften Patrioten Russlands", erklärte der mächtige Präsident der russischen Teilrepublik via Instragram, wo er sehr aktiv ist. Dadajew sei einer der furchtlosesten und heldenhaftesten Soldaten der 46. Sondereinsatzbrigade des russischen Innenministeriums gewesen – dort habe er in der Vergangenheit als stellvertretender Bataillonskommandant gedient. "Ich bin fest davon überzeugt, dass er Russland aufrichtig ergeben ist, und er war stets bereit, für die Heimat sein Leben zu geben", schreibt er.

Unverständlich seien ihm allerdings die Gründe und Motive, die Dadajew zu seinem Verlassen der Streitkräfte des russischen Innenministeriums bewogen haben. Dies werde Gegenstand einer Untersuchung sein. Er deutete lediglich an, dass dies im Zusammenhang mit dem Anschlag auf die französische Satirezeitung Charlie Hebdo zu sehen sei: "Alle, die Saur kennen, erklärten, dass er tiefgläubig ist und wie alle Muslime von den Aktivitäten von Charlie Hebdo und von den Kommentaren für einen Abdruck von Karikaturen erschüttert gewesen ist." Der Ermordete Nemzow hatte am 9. Jänner als Reaktion auf den Terroranschlag von einer "islamischen Inquisition" geschrieben, die er mit dem vergleichsweise jungen Alter dieser Weltregion erklärte. Medienberichten zufolge soll er im Anschluss dafür bedroht worden sein. Kadyrow selbst hatte die Charlie-Hebdo-Attentäter verteidigt, sogar eine Großdemo in Grozny veranstaltet (mehr dazu hier).

Kritiker glauben Theorie nicht

Weggefährten des Ermordeten bezweifeln jedoch einen islamistischen Hintergrund des Attentats. "Die Nonsens-Theorie der Ermittler über islamistische Motive beim Mord an Nemzow nutzt dem Kreml und nimmt Putin aus der Schusslinie", erklärte Ilja Jaschin, neben Nemzow Co-Vorsitzender der kleinen oppositionellen Liberalen Partei in Russland, auf Twitter.

Nemzow, der vor gut einer Woche erschossen wurde, war einer der bekanntesten Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. "Unsere schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden", schrieb Jaschin am späten Sonntagabend. Der Mordschütze werde angeklagt, aber seine Auftraggeber würden ungeschoren davonkommen.

Orden für Kadyrow

Kadyrow, der autokratisch mit harter Hand in Tschetschenien herrscht, wird von der Regierung in Moskau unterstützt. Seine Loyalität zu ihr demonstrierte Kadyrow voriges Jahr, als er eine Massenkundgebung zu Putins Geburtstag veranstaltete – jetzt hat er für seine Kooperationsbereitschaft sogar den "Orden der Ehre" bekommen: Er sei für seine beruflichen Erfolge, seine aktive gesellschaftliche Betätigung und seine langjährige Arbeit auszeichnet worden, vermeldete die staatliche Nachrichtenagentur Tass. Liberale Kreml-Kritiker spekulierten deshalb sogleich über einen Zusammenhang der Auszeichnung mit Kadyrows Kommentaren zum Mordfall Nemzow.

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