Als unmoralische Taten“ brandmarkte Ramsan Kadyrow die Karikaturen der Zeichner von Charlie Hebdo: Tschetscheniens Präsident, der die russische Teilrepublik mit eiserner Hand und fast immer im Sinne des Kreml regiert, hat am heutigen Montag zu einer Großkundgebung aufgerufen – gegen die Karikaturen, gegen die Zeichner, gegen die in seinen Augen blasphemische Verunglimpfung Mohammeds.
"Alle, die das Recht von Charlie Hebdo und anderen Medien unterstützen, religiöse Gefühle von anderthalb Milliarden Muslimen zu verletzen, sind meine persönlichen Feinde", schrieb Kadyrow auf Instagram. Das soziale Netzwerk ist eines seiner liebsten Propagandaorgane, das Echo darauf ist meist enorm.
"Ich bin nicht Charlie"
Eine Million Menschen, vielleicht sogar mehr hätten seinem Aufruf folgen sollen, hatte sich der kaukasische Herrscher noch am Sonntag gewünscht. Allein, so viele wurden es vermutlich nicht, hat die Republik insgesamt ja nur 1,3 Millionen Einwohner. Die offizielle Propaganda sprach zuletzt von 800.000 Menschen, die sich auf Geheiß Kadyrows auf der Straße eingefunden hätten. Doch egal, wie viele es genau waren: Der Eindruck aus Grozny war beachtlich. Abertausende Menschen füllten am Montagvormittag die Straßen vor der zentralen Moschee, tausende Schilder wurden hochgehalten. Oftmals auch auf Englisch: "We love Mohammad" war da ebenso zu lesen wie "Hands off Mohammad", ein deutliches Signal an alle Beobachter aus dem Westen.
Kadyrow selbst zeigte sich da martialischer: "Ich bin nicht Charlie", erklärte er am Samstag im russischen Staatsfernsehen. Und: "Ich bin bereit zu sterben, um solche Menschen zu bestrafen, die unseren Propheten beleidigen." Das Staatsfernsehen übertrug die Demo am Montag dann auch live - mit dem Sanktus des Kreml. der ja selbst die Verbreitung der Karikaturen untersagt hatte.
Ein eigener Islam
Tschetschenien, die seit Jahren umkämpfte Kaukasusregion im Süden Russlands, ist mehrheitlich muslimisch geprägt, der Großteil der Bevölkerung sind Sunniten. Der konfessionelle Unterschied zu Rest-Russland war und ist Motor der separatistischen Tendenzen im Kaukasus – den Bestrebungen der Separatisten, aus Tschetschenien und den Nachbarregionen Inguschetien und Dagestan einen muslimischen Staat zu formen, versucht Kadyrow seit seinem Amtsantritt mit eigenen Mitteln zu entgegnen.
Einen großen Teil dieser Bemühungen nimmt die vom ihm propagierte eigene Form des Islam ein - obwohl die Moskau nicht gänzlich genehm ist. So ließ Kadyrow gleich nach seinem Amtsantritt 2006 den Konsum von Alkohol und das Glücksspiel verbieten; auch das Tragen eines Kopftuchs schrieb er vor. Für die säkulare Russische Föderation ein glatter Verfassungsbruch; für die Bevölkerung eine akzeptable Maßnahme.
Innere Bedrohung
Kaydrows Vorgehen scheint aber das deutlich geringe Übel für den Kreml zu sein – denn nicht nur die muslimisch geprägten Bestrebungen, aus Tschetschenien, Inguschetien und Dagestan einen Staat unter dem Gesetz der Scharia zu formen, sind dem Kreml ein großer Dorn im Auge, sondern auch die zunehmende Präsenz des Islamischen Staats in der Kaukasusregion. Denn gegen diese Bedrohung haben bisher weder Putin noch Kadyrow eine passende Antwort gefunden.
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