NATO-Kampfeinsatz endet nach 13 Jahren

US-Soldaten in Afghanistan
2015 wird der Kampfeinsatz durch die Ausbildungs- und Unterstützungsmission "Resolute Support" abgelöst.

Mit einer Zeremonie in Kabul hat die NATO am Sonntag offiziell das Ende ihres Kampfeinsatzes in Afghanistan begangen. Bei einer Rede vor Soldaten lobte ISAF-Kommandant John Campbell die Fortschritte, die dank des Einsatzes der internationalen Truppen in dem Land erreicht worden seien. "Gemeinsam haben wir das afghanische Volk aus der Finsternis der Verzweiflung gehoben und ihm Hoffnung für die Zukunft gegeben." Der Einsatz habe "Afghanistan stärker und unsere Länder sicherer" gemacht.

Der NATO-Kampfeinsatz in Afghanistan endet offiziell am 31. Dezember. Seit 2001 wurden dabei 3485 ausländische Soldaten getötet. Zum Jahreswechsel soll der Kampfeinsatz durch die Ausbildungs- und Unterstützungsmission "Resolute Support" abgelöst werden, an der 12.500 ausländische Soldaten beteiligt sein sollen.

Afghanistan wurde in den vergangenen Monaten von zahlreichen Anschlägen der radikalislamischen Taliban erschüttert. Nach Angaben der Vereinten Nationen erreichte die Zahl der zivilen Gewaltopfer in diesem Jahr einen Höchststand. Allein von Jänner bis November wurden demnach 3.188 Zivilisten getötet und 6.429 weitere verletzt.

Einsatz dauerte 13 Jahre

Der Tod von Zivilisten ist einer der größten Kritikpunkte am Kampfeinsatz der NATO-geführten Schutztruppe ISAF. Als die Truppen Ende 2001 in Marsch gesetzt wurden, hätte wohl niemand damit gerechnet, dass der Einsatz 13 Jahre dauern würde. Ob der Einsatz trotz des hohen Blutzolls ein Erfolg war, hängt vom Standpunkt des Betrachters ab. ISAF-Vizekommandeur Carsten Jacobson hält die Ziele für erreicht. "Was der ISAF ins Auftragsbuch geschrieben war, ist erfüllt", sagt der deutsche Bundeswehr-Generalleutnant. Die ISAF habe die Bildung einer Regierung und den Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte ermöglicht, an die sie nun die Verantwortung abgegeben habe. Auch der erste friedliche Machtwechsel in der Geschichte Afghanistans wäre nach Einschätzung Jacobsons ohne die Schutztruppe nicht möglich gewesen.

Tatsächlich ist all das mit Hilfe der ISAF erreicht worden - und noch mehr. Dank des internationalen Engagements ist Afghanistan zwar immer noch ein extrem armes Land, aber - anders als unter dem Taliban-Regime - nicht mehr in der Steinzeit verhaftet. Rund zehn Millionen Kinder gehen zur Schule, die medizinische Versorgung und die gesamte Infrastruktur des Landes wurden deutlich verbessert.

Doch die Liste der Probleme ist mindestens ebenso lang. Weiterhin ist Afghanistan der größte Drogenproduzent und eines der korruptesten Länder weltweit. Vor allem aber ist es der ISAF - die auf Englisch das Wort "Security" im Namen führt - nicht gelungen, Sicherheit zu bringen. Graeme Smith von der International Crisis Group (ICG) in Kabul meint: "Verglichen mit der Sicherheitslage, als ISAF begann, ist Afghanistan heute ein Inferno." Jacobson sagt: "Afghanistan bleibt ein Land, in dem Krieg geführt wird."

Und die Gewalt eskaliert. In den ersten elf Monaten des Jahres verzeichneten die Vereinten Nationen mehr zivile Opfer als je zuvor. 3188 Zivilisten wurden getötet, 6429 weitere verletzt. 75 Prozent der Opfer gingen nach UN-Angaben auf das Konto von Aufständischen wie die Taliban, die ISAF verantwortete in ihrem letzten Einsatzjahr nach eigenen Angaben weniger als ein Prozent.

Bis Mitte November wurden nach Angaben des Innenministeriums außerdem mehr als 6000 Angehörige der afghanischen Sicherheitskräfte getötet - nach 4300 im gesamten Jahr 2013. "Die Zahlen sind zu hoch", sagt Jacobson mit Blick auf diese Verluste. "Die Zahlen müssen reduziert werden. Und das wird ein ganz wesentlicher Bestandteil der Unterstützung, Beratung und Arbeit sein, die wir zu leisten haben."

ISAF-Nachfolgemission "Resolute Support"

"Wir" - das ist die ISAF-Nachfolgemission "Resolute Support", die Jacobson ebenfalls als Vizekommandeur führen wird. Sie wird sich auf Ausbildung und Beratung afghanischer Sicherheitskräfte konzentrieren, aber keinen Kampfauftrag mehr haben. Mit rund 12.000 Soldaten - darunter bis zu 850 Deutsche - wird sie viel kleiner sein als die ISAF, die zu Spitzenzeiten mehr als das zehnfache Personal umfasste.

Nach jetziger Planung sollen die Soldaten von "Resolute Support" nur ein Jahr lang in der Fläche bleiben und sich dann auf Kabul zurückziehen. Nach einem weiteren Jahr soll der Einsatz ganz enden: Die Amerikaner, die größten Truppensteller, wollen ihre Soldaten dann fast vollständig aus Afghanistan abziehen. Schon vor Beginn der Mission mehren sich Zweifel daran, ob die Zeit reichen wird.

Viele Afghanen halten bereits das Ende des NATO-Kampfeinsatzes für verfrüht - etwa der amtierende Gouverneur der nordafghanischen Provinz Kunduz, Hamdullah Daneshi. Aus Kunduz war die Bundeswehr im Oktober vergangenen Jahres abgezogen. Inzwischen sind die Taliban dort auf dem Vormarsch. "Ich glaube, ihr Abzug ist ein verfrühter Schritt", sagt Daneshi mit Blick auf die Kampftruppen. "Weil wir weiter ihre Hilfe brauchen."

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