Verbündete gespalten: Israel und USA uneins bei Rafah-Offensive
Während die Unstimmigkeiten zwischen Israel und den USA über die Vorgehensweise im Gaza-Krieg immer offener zutage treten, hat sich eine israelische Delegation erneut auf den Weg nach Doha gemacht, um über eine befristete Waffenruhe und eine Geiselfreilassung zu verhandeln.
Der UNO-Sicherheitsrat will sich Insidern zufolge am Montag erneut mit der Lage in Gaza befassen und auch über eine neue Resolution abstimmen.
Unter Führung des Chefs des Auslandsgeheimdiensts Mossad, David Barnea, soll sich die israelische Abordnung am Samstag in der katarischen Hauptstadt mit CIA-Direktor William Burns, Katars Ministerpräsidenten Mohammed bin Abdulrahman Al-Thani und dem ägyptischen Geheimdienstminister Abbas Kamel treffen.
Ziel: Waffenruhe gegen Geiselaustausch
Die USA, Katar und Ägypten vermitteln in den sich schon über mehrere Wochen hinziehenden indirekten Gesprächen zwischen Israel und der Hamas. Sie zielen darauf ab, dass die Islamisten während einer sechswöchigen Waffenruhe 40 israelische Geiseln freilassen. Israel soll im Gegenzug mehrere hundert palästinensische Häftlinge aus Gefängnissen entlassen. Die Hamas fordert darüber hinaus, dass das israelische Militär die in den Süden des Gazastreifens vertriebenen Palästinenser in ihre Wohnorte in der Mitte und im Norden des Küstengebiets zurücklässt. Israel will derzeit nur Frauen und Kinder zurückkehren lassen.
Aus Washington kamen zuletzt vorsichtig optimistische Signale. "Wir glauben, dass wir (einer Einigung) näher kommen, dass die Differenzen kleiner werden", sagte der Kommunikationsdirektor des Nationalen Sicherheitsrates der USA, John Kirby, am Freitag (Ortszeit). Die Art und Weise, wie die Gespräche verliefen, sei ein "gutes Zeichen". Allerdings gebe es kein Datum für einen Abschluss, den es erst geben könne, wenn über das gesamte Paket eine Einigung erzielt wird.
Druck auf Netanyahu steigt
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sah sich indes im Kriegskabinett starkem Druck ausgesetzt, die Verhandlungsvollmachten der Delegation für Doha zu erweitern. In der Runde, in der auch der aus der Opposition kommende Ex-General Benny Gantz sitzt, sei es am Freitag "dramatisch" zugegangen, berichtete der Fernsehsender Channel 12. Der Chef des Inlandsgeheimdiensts Schin Bet, Ronen Bar, habe damit gedroht, nicht nach Doha zu fliegen, wenn die Delegation, der er angehört, nicht flexibler verhandeln dürfe.
Rafah-Offensive spaltet Verbündete
Der Verlauf des Krieges mit vielen zivilen Toten und massiven Zerstörungen von Wohnbauten und Infrastruktur im Gazastreifen stößt mittlerweile auf starke internationale Kritik. Selbst die USA, Israels engster Verbündeter, beanstanden offen die häufig von Israel vorgenommene Beschränkung des Zugangs für humanitäre Hilfe. Besonders ablehnend verhält sich Washington zu der von Netanyahu mehrfach angekündigten Bodenoffensive in der südlichen Stadt Rafah, um die letzten vier Bataillone der Hamas zu zerschlagen.
In dem Ort an der Grenze zu Ägypten halten sich derzeit 1,5 Millionen Menschen auf. Die meisten von ihnen sind aus anderen Teilen des Gazastreifens geflohen und hausen dort unter elenden Verhältnissen. "Eine größere Bodenoffensive (...) würde den Tod von noch mehr Zivilisten, noch größeres Chaos bei der Bereitstellung von humanitärer Hilfe riskieren", sagte US-Außenminister Antony Blinken am Freitag bei einem Besuch in Tel Aviv. Für Israel bedeute sie auch das Risiko einer weiteren weltweiten Isolierung.
Kein Plan zur Evakuierung vorgelegt
Netanyahu beteuert immer wieder, dass sein Militär Pläne für eine sichere Evakuierung der Zivilisten aus Rafah habe. "So einen glaubwürdigen Plan haben wir noch nicht gesehen", sagte US-Sicherheitsratssprecher Kirby. Anfang kommender Woche soll Israel hochrangige Delegationen nach Washington schicken, um die entsprechenden Pläne zu zeigen. Die USA möchten den Israelis Optionen aufzeigen, wie die Hamas ohne eine Bodenoffensive in Rafah zu bezwingen wäre.
Bei Blinkens Treffen mit dem israelischen Kriegskabinett prallten die divergierenden Ansichten offen aufeinander, wie das Nachrichtenportal "Axios" unter Berufung auf eine namentlich nicht genannte Quelle berichtete, die mit dem Inhalt des Gesprächs vertraut sein soll. Demnach habe Blinken Israel davor gewarnt, den Krieg ohne ersichtliche Strategie fortzuführen. Würde er weiter so verlaufen wie bisher, würde die Hamas die Kontrolle im Gazastreifen behalten oder es würde Anarchie ausbrechen, die noch mehr Terrorismus erzeugen würde. Der Quelle zufolge soll Netanyahu geantwortet haben, dass "wir auf Jahrzehnte alle Hände voll zu tun haben werden".
Abstimmung über UNO-Resolution erst am Montag
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stimmt einem Insider zufolge am Montag über eine alternative Resolution zur Waffenruhe im Gazastreifen ab. Dieser wurde von gewählten Mitgliedern des Sicherheitsrates ausgearbeitet, sagt ein Diplomat. Die Abstimmung war für Samstag geplant, wurde aber verschoben, weil die Diskussionen noch andauerten, fügt er hinzu. Der Entwurf fordert einen sofortigen Waffenstillstand für den laufenden muslimischen heiligen Monat Ramadan, die Freilassung aller Geiseln und eine Ausweitung der humanitären Hilfe für den Gazastreifen.
UN-Generalsekretär António Guterres will am Samstag in die Region reisen und der ägyptischen Seite der Grenze bei Rafah einen Besuch abstatten, wie ein Sprecher der Organisation am Freitag in New York mitteilte. Auf dem Programm stehe ein Treffen mit humanitären Helfern der UNO-Organisationen. Guterres gilt als Kritiker des israelischen Feldzugs im Gazastreifen. In das Küstengebiet selbst werde er nicht fahren, hieß es.
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