Israels Armee steht nicht zum ersten Mal ohne klare politische Koordinaten in einem Krieg
Die Armeeführung sieht die Kriegslage nüchterner: Eine nachhaltige Zerstörung der unterirdischen Hamas-Festung ist demnach möglich, würde aber etliche Monate dauern, mindestens bis Jahresende. Überirdisch gehen die Kämpfe ohnehin intensiv weiter. Selbst im bereits „gesäuberten“ Norden des Gazastreifens gibt es noch „Hamas-Nester“. Im Zentrum um Khan Junis ist die Offensive weiter voll im Gange.
Ein weiteres Vordringen in Richtung Süden um Rafah wäre militärisch eine Option. Sie würde aber genaue politische Vorgaben erfordern, auch die Mobilisierung neuer Reservekräfte. Und vor allem müssten Hunderttausende Flüchtlinge in Zeltstädte umgesiedelt werden. Internationale Hilfsorganisationen vor Ort, allen voran die von Israel scharf kritisierte UNRWA, zeigen sich zurzeit aber nicht zu einer Zusammenarbeit bereit.
Israels Armee steht nicht zum ersten Mal ohne klare politische Koordinaten in einem Krieg. „Völlige Vernichtung“ der Hamas, wie sie Netanjahu ankündigte, ist weder politisch noch militärisch eine genaue Vorgabe. Anders als der Premier und seine extremistischen Koalitionspartner erwägt die Armeeführung dagegen eine Einstellung der Kämpfe. Vorausgesetzt: Das führe zu einer Freilassung aller Geiseln. „Deren Schicksal geht vor“, so Armeevertreter.
Beginnt die Offensive in Rafah wirklich mit dem muslimischen Fastenmonat Ramadan?
Netanjahu dagegen glaubt immer noch, dieses Szenario durch eine illusionäre Vernichtung der Hamas erzwingen zu können – auch durch einen Sturm auf Rafah. Einen solchen hat Benny Gantz, Minister im Kriegskabinett des Premiers, für den Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan in Aussicht gestellt (10. März), sollten die Geiseln bis dahin nicht freikommen und sich die Hamas-Führung ergeben.
Die USA und andere warnen aber vor einer Militäroperation in Rafah. Dieser Tage stehen neue Lieferungen mit Nachschub aus den USA an. Netanjahu setzt diese Hilfe aufs Spiel. Er lehnt auch Vorschläge seiner Geheimdienste für die Verhandlungen um einen Geisel-Deal ab – ohne jede Beratung mit seinen Partnern im Kriegskabinett von der liberalen Einheitspartei. Sie drohen jetzt mit ihrem Rücktritt bei weiteren Alleingängen.
Der Premier verbliebe mit einer extremistischen Ministerrunde. Doch auch diese Minister drohen mit Rücktritt, sollte Netanjahu in eine längere Kampfpause einwilligen. Darum lehnte er auch gegen den Rat seiner Sicherheitsexperten erste Kompromissvorschläge aus Washington, Kairo und Katar ab.
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