USA: Wie der Krieg in Nahost die Universitäten spaltet

Palästina-Unterstützer bei einer Kundgebung an der Universität Harvard in Massachusetts
Christopher Wray bringt das Dilemma mit Zahlen auf den Punkt. Juden stellten keine drei Prozent der über 330 Millionen Amerikaner, sagte der Chef der Bundespolizei FBI neulich im Kongress. "Aber 60 Prozent aller religiös grundierten Hassverbrechen in den USA gelten jüdischen Mitbürgern."
Seit dem Terror-Anschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober haben antisemitische Akte drastisch zugenommen. Der Lobby-Verband Anti-Defamation League spricht von über 400 Prozent. Aber es gibt auch, so berichten muslimische Interessenverbände, die Kehrseite: Attacken gegen arabisch-stämmige Amerikaner.
Streit an den Universitäten
Nirgends ist der Konflikt über die richtige Haltung zu den Ereignissen in Nahost heftiger ausgebrochen als den Top-Universitäten. Seit Präsident Joe Biden seine uneingeschränkte Solidarität mit Israel bekundet hat, wächst dort der Protest derer, die in der israelischen Vergeltung im Gaza-Streifen ein Kriegsverbrechen erkennen.
Studenten an der George-Washington-Universität in der Hauptstadt warfen abends in Leuchtschrift den Slogan “Ehre für unsere Märtyrer” an die Wand des Hauptgebäudes. An der benachbarten Georgetown-Universität berichteten jüdischen Studenten, dass sie von Kommilitonen mit “Mörder”- und “Fuck the jews”-Rufen verfolgt worden seien.
"Wenn du eine jüdische Person siehst, schlitze ihr die Kehle auf"
An der Cornell-Universität rief ein Student im Internet offen zur Gewalt auf: “Wenn du eine jüdische Person auf dem Campus siehst, verfolge sie nach Hause, und schlitze ihre Kehle auf.”
Keimzelle der Spaltung, die quer durch Studenten- und Professoren-Kollegien geht, wo gegenseitig Vorwürfe von Antisemitismus und Islamfeindlichkeit erhoben und je nach Standpunkt eine Einschränkung der Meinungsfreiheit gefordert wird, ist Harvard: die Kaderschmiede der Wirtschaftseliten.

Demonstration in Harvard
Spender stellen Förderungen ein
Als dort noch am Tag des Hamas-Terrors, dem mindestens 1.400 Israelis zum Opfer fielen, über 30 Studenten- Gruppen in einem eilig zusammengeschusterten Aufruf Israel “in vollem Umfang für alle Gewalttaten” verantwortlich machten, ohne dass die Uni-Leitung zeitnah korrigierend einschritt, machten Spender wie der bekannte Hedgefonds-Manager Bill Ackman kurzen Prozess.
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Der Milliardär stellte seine dreistellige Millionenförderung ein. Ähnliches geschah an anderen Elite-Unis wie Stanford. Das Argument ist meist identisch: Die Relativierung oder gar Verherrlichung des Hamas-Terrors als “Freiheitskampf” dürfe nicht hingenommen werden.
Unternehmen wollen Absolventen nicht mehr einstellen
Mehrere Großunternehmen, darunter bekannte Anwaltskanzleien, haben erklärt, dass sie Absolventen solcher Universitäten, an denen das Existenzrecht Israels ungestraft zur Disposition gestellt werden darf, nicht einstellen würden.
Die Uni-Verwaltungen zeigen sich oft überfordert, um die Feindseligkeiten in Bahnen zu lenken. Claudine Gay, die Präsidentin von Harvard, erklärte verklausuliert, besagte Studentengruppen sprächen für sich - nicht für die Lehreinrichtung.
"Bedrohliche Rhetorik und Einschüchterung"
Die prominente Columbia Universität in New York hat jetzt eine pro-palästinensische und eine pro-jüdische Studentengruppe für das laufende Semester ausgeschlossen, weil "bedrohliche Rhetorik und Einschüchterungen" den Lehrbetrieb gefährdeten, heißt es in einer offiziellen E-Mail.
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Konkret hatten mehrere hundert Studenten und Studentinnen ihre Vorlesungen geschwänzt und an Protesten teilgenommen, bei denen - beide Gruppen einvernehmlich - Joe Biden aufforderten, in Israel konsequent auf einen Waffenstillstand im Gaza-Streifen zu drängen.
Riesendemo in Washington
Laut Umfragen ist diese Position vor allem bei jungen Wähler/-innen zwischen 18 und 30 Jahren mehrheitsfähig. Für Biden steckt darin ein Jahr vor der Wahl Sprengstoff. Bei einer der größten Demonstrationen, die Washington DC je gesehen hat, ergriffen vor einer Woche gut 200.000 Menschen das Wort für ein „freies Palästina” und beklagten das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza.
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Joe Biden wurde als „Genozid-Joe” gegeißelt, der Israel freie Hand lasse. Arabisch-stämmige Amerikaner wollen ihm am 5. November 2024 an der Wahlurne die Quittung dafür ausstellen.
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