Schock, Entsetzen und Wut über die Explosion hatten gestern den Verlauf von US-Präsident Joe Bidens Besuch in Nahost schon durchkreuzt, ehe dieser in Israel aus dem Flugzeug stieg. Palästinenserpräsident Mahmut Abbas wollte den US-Präsidenten gleich gar nicht mehr treffen und beschuldigte Israel des „Völkermordes“.
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Jordanien wiederum zog sich als Gastgeber eines geplanten Treffens zurück, bei dem Biden mit König Abdullah II. und Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi hätte zusammenkommen sollen. Bidens diplomatischer Rettungsversuch schlingerte gleich von Start weg.
„Die andere Seite“
Mit Videos und Tonbandaufnahmen versuchte indes die israelische Armee zu beweisen, dass eine fehlgeleitete Rakete aus Gaza selbst auf das Spital niedergedonnert war – abgefeuert von den Milizen des Islamischen Dschihad. Biden überzeugt es: „Es scheint so, als ob nicht Ihr, sondern die andere Seite, das verursacht hat.“
Die verheerende Explosion machte die ohnehin heikle Mission des US-Präsidenten noch schwieriger. Einerseits galt es, die USA als entschlossenen Verbündeten Israels zu präsentieren. Andererseits aber auch dazu beizutragen, dass der Krieg zwischen Hamas und Israel nicht noch weiter eskaliert.
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Zwei amerikanische Flugzeugträger hat Biden bereits ins östliche Mittelmeer beordert. Sie und die zweitausend US-Marines, die die beiden Kolosse begleiten, sollen vor allem den Iran abschrecken. Dass der US-Präsident höchstpersönlich ins Kriegsgebiet reiste, unterstrich diese Warnung nur noch:
Sollten der Iran oder die Hisbollah vom Libanon aus Israel angreifen, würde Amerika zurückschlagen. „Die USA werden dafür sorgen, dass Israel das hat, was es braucht, um sich zu verteidigen“, versicherte Biden.
Völkerrecht
Bei aller Solidarität mit Israel erinnerte der US-Präsident aber Premier Benjamin Netanjahu auch daran, dass sich Demokratien im Krieg an das humanitäre Völkerrecht zu halten haben. Israels Bodenoffensive im Gaza steht unmittelbar bevor – und selbst beim Kampf gegen die Hamas, die sich mit 200 israelischen Geiseln verschanzt hat, müssten die zivilen Bewohner möglichst verschont werden, mahnte Biden.
Auf massiven amerikanischen Druck hin hat die israelische Regierung eingewilligt, humanitäre Güter und Nahrung in den abgeschotteten Gazastreifen einführen zu lassen. Bisher aber blieben die Grenzbalken zu. 2,3 Millionen Menschen sind gefangen – zwischen dem Terror der Hamas und der Panik vor den israelischen Vergeltungsschlägen. Knapp 3.500 Palästinenser starben seit Beginn der Luftangriffe, mehr als 12.000 Menschen wurden verletzt.
Auf israelischer Seite wurden seit dem Massaker und den Raketen der Hamas-Terroristen rund 1.400 Todesopfer gezählt, knapp 4.500 Menschen sind verletzt.
Bidens Plan war es gewesen, Hilfslieferungen für die notleidende Bevölkerung im Gazastreifen durchzusetzen. Dafür wollte der US-Präsident höchstpersönlich an das Grenztor in Rafah fahren, der Ägypten mit dem Gazastreifen verbindet. Auf ägyptischer Seite des Übergangs stehen rund 150 Lkw mit 2.000 Tonnen Hilfsgütern bereit. Der verheerende Raketentreffer auf das Spital in Gaza dürfte diesen Reiseplan Bidens durchkreuzt haben.
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