Israel weitet Bodenoffensive aus
Mit dem Einsatz von Panzern, Artillerie und Infanterie-Einheiten haben die israelischen Streitkräfte die am Donnerstag gestartete Bodenoffensive gegen die radikalislamische Hamas im Gazastreifen ausgeweitet. Der Küstenstreifen wurde am Freitag auch von Schiffen der Marine unter Beschuss genommen. "Wir setzen auf sehr viel Feuerkraft und Artillerie", sagte ein Armeesprecher. Für Israels Militär werde es das "Tor zur Hölle" werden, drohte die auf dem Gazastreifen herrschende Hamas. "Wir werden Gaza zum Friedhof für israelische Soldaten machen", kündigte ein Hamas-Sprecher nach Beginn der Bodenoffensive an.
Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sagte, Israel sei bereit, die Offensive "erheblich" auszuweiten. Nach Angaben der Behörden des Küstenstreifens sind seit Beginn der Bodenoffensive am Donnerstagabend 27 Palästinenser getötet worden, darunter drei palästinensische Jugendliche und ein fünf Monate altes Baby. Zudem kam ein israelischer Soldat ums Leben.
Papst Franziskus hat Israels Staatschef Shimon Peres und den palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas angerufen und "seine sehr ernste Sorge" über die Eskalation des Nahost-Konflikts geäußert.
Ziel: Tunnel zerstören
Der Gazastreifen wurde am frühen Morgen immer wieder von Lichtblitzen erleuchtet. Die israelischen Einheiten feuerten vom Mittelmeer aus Leuchtspurmunition ab, Hubschrauber schossen über die Grenze hinweg in das dicht besiedelte Gebiet, in dem 1,8 Millionen Menschen leben. Die Armee veröffentlichte Filmaufnahmen, auf denen Panzer über die Grenze hinweg in die Sanddünen von Gaza fuhren. Sie wurden von zahlreichen Soldaten am Boden begleitet.
Armeesprecher Motti Almos sagte, in dem Palästinensergebiet seien viele Soldaten im Einsatz. Sie nähmen Stellungen der Hamas und Tunnel ein. Mit der Aktion will Israel nach eigenen Angaben Tunnel zerstören, die Hamas-Extremisten unter der Grenze hindurch graben, um Zivilisten zu töten oder sie als Geiseln zu nehmen. Zudem werden die Bauwerke offenbar genutzt, um Raketen zu verstecken.
Bodenoffensive in der Nacht auf Freitag
In der Nacht auf Freitag startete Israel – nach einer kurzzeitigen Feuerpause – eine Bodenoffensive im Gazastreifen. Mahmoud Abbas, Palästinenserpräsident, hat Israel aufgefordert, die Bodenoffensive zu stoppen. Der Einsatz werde nur zu noch "mehr Blutvergießen" führen und die Bemühungen um ein Ende der Gewalt "verkomplizieren", sagte er laut der äyptischen Nachrichtenagentur MENA in Kairo.
Israels Regierung hat hingegen grünes Licht für die Mobilisierung von weiteren 18.000 Reservisten gegeben. Damit können nach Armeeangaben nun etwa 60.000 Reservisten eingezogen werden. "Wir werden der Hamas hart zusetzen und wir werden den Frieden im Staat Israel wieder herstellen", sagt der Sprecher des israelischen Militärs, Peter Lerner, während einer Pressekonferenz.
USA fordert Waffenstillstand
US-Außenminister John Kerry habe in in einem Telefonat mit Netanyahu betont, dass eine "weitere Eskalation" der Lage vermieden und der Waffenstillstand von 2012 "so schnell wie möglich" wieder hergestellt werden müsse.
Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte von beiden Seiten den Schutz von Zivilisten. Die Hamas müsse sofort den Beschuss Israels mit Raketen stoppen. Israel wiederum habe dafür zu sorgen, dass bei der Offensive keine Zivilisten zu Schaden kommen.
Die EU hat die Tötung von vier palästinensischen Kindern am Mittwoch durch das Israels Militär verurteilt. "Wir sind der Ansicht, solche Vorfälle sind inakzeptabel und müssen untersucht werden", sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Freitag in Brüssel.
Hamas feuert erneut Raketen ab
Trotz der Bodenoffensive feuert die Hamas weiter Rakten Richtung Israel ab. Nach Informationen der israelischen Armee sind militante Palästinenser im Gazastreifen im Besitz von etwa 10.000 Raketen mit verschiedenen Reichweiten. Die Geschoße seien in unterirdischen Tunneln, Wohngebäuden, Schulen und Kindergärten untergebracht. Damit sollen Angriffe erschwert und verhindert werden.
Für Hamas-Chef Khaled Mashaal ist die israelische Bodenoffensive "zum Scheitern verurteilt". Was der "israelische Besatzer" nicht durch seine Angriffe aus der Luft und von See aus erreicht habe, werde er auch nicht durch Bodentruppen erreichen. Der Sprecher der Hamas im Gazastreifen, Fauzi Barhoum, hatte zuvor zu der Bodenoffensive erklärt, Israel werde "einen hohen Preis" für seine Angriffe zahlen.
Israel zieht Botschaftspersonal ab
Israel zieht wegen Ausschreitungen vor seinen diplomatischen Vertretungen in der Türkei Botschaftspersonal ab. Die Vertretungen würden nur noch mit dem absolut notwendigen Personal besetzt, erklärte das israelische Außenministerium am Freitag. Die türkische Polizei habe die Botschaft in Ankara und das Konsulat in Istanbul nicht ausreichend geschützt. Dies sei ein eklatanter Bruch diplomatischer Vereinbarungen.
Demonstranten hatten gegen die israelische Bodenoffensive im Gazastreifen protestiert und das Konsulat in Istanbul und die Botschaft in Ankara mit Steinen angegriffen. Die Streitkräfte des jüdischen Staates gehen seit Donnerstagabend mit Bodentruppen gegen die radikalislamische Hamas im Gazastreifen vor.
Ägyptische Armee geht nahe Israel gegen Milizen vor
Die ägyptische Armee hat indes im Kampf gegen Milizen nahe der israelischen Grenze am Freitag mehrere Dörfer auf der Sinai-Halbinsel gestürmt. Augenzeugen berichteten, dass am Freitag früh eine große Zahl Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen in die Gebiete nahe den Ortschaften Rafah, Sheikh Suwaid und Al-Arish kamen, und von Haus zu Haus nach bewaffneten Kämpfern suchten. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen sollten mit der Operation islamistische Extremistengruppen zerschlagen werden. Dabei seien auch zwei Schmugglertunnel zum Gazastreifen zerstört worden.
Die Militärkampagne im Norden des Sinai dauert schon seit mehr als einem Jahr an. In der Region sind zahlreiche Jihadisten aktiv, regelmäßig gibt es Angriffe auf Sicherheitskräfte. Die Regierung in Kairo wirft auch der radikal-islamischen palästinensischen Hamas vor, diese Gruppen mit Waffen zu unterstützen.
Die Bemühungen Ägyptens, einen Waffenstillstand zwischen der radikal-islamischen Hamas und Israel zu vermitteln, waren nicht von Erfolg gekrönt: Donnerstagabend ordnete Ministerpräsident Benjamin Netanyahu eine Bodenoffensive im palästinensischen Gazastreifen an.
„Nach zehn Tagen mit Angriffen der Hamas aus der Luft, vom Meer und am Boden sowie wiederholten Weigerungen, die Lage zu beruhigen, hat die Armee eine Bodenoffensive im Gazastreifen begonnen“, teilte das Militär mit. Es müsse eine Situation geschaffen werden, „in der Bewohner Israels in Sicherheit leben können“, während gleichzeitig der Infrastruktur der Hamas „ein bedeutender Schlag“ verpasst werde.
In Vorbereitung auf die Bodenoffensive hatte Israel seine Angriffe auf Gaza zuletzt massiv verstärkt. Artillerie, Hubschrauber und Schiffe feuerten auf Ziele im Norden des Gebiets. Der Himmel wurde immer wieder von Leuchtmunition erhellt.
Humanitäre Hilfe
Noch am Nachmittag hatten israelische und palästinensische Delegierte in Kairo über einen umfassenden Waffenstillstand verhandelt. Doch nicht einmal eine auf fünf Stunden beschränkte Feuerpause, die humanitäre Hilfe ermöglichen sollte, hielt: Palästinensische Extremisten feuerten Mörsergranaten Richtung Israel, verletzt wurde aber niemand. Nach Ablauf der Frist wurde der Beschuss intensiviert. Und Israel flog erneut Luftangriffe auf palästinensische Einrichtungen im Gazastreifen.
Laut eigenen Angaben hat die israelische Armee einen Anschlag auf einen Kibbuz nahe der Grenze zum Gazastreifen verhindert. 13 schwer bewaffnete Hamas-Kämpfer hätten die Grenze durch einen Tunnel überquert, seien aber zurückgeschlagen worden.
Schon in der Nacht zum Donnerstag waren am Strand von Gaza vier palästinensische Kinder im Alter von neun bis elf Jahren bei einem israelischen Angriff getötet worden. Sie spielten Fußball. Ihr Tod sei „ein tragisches Resultat dieses Angriffs‘‘, teilte ein Armee-Sprecher mit. Militärische Ziele seien lediglich Hamas-Kämpfer. Inzwischen liegt die Zahl der Toten im Gazastreifen bei 227, wovon die meisten Zivilisten sein sollen. Auf israelischer Seite gab es bisher ein Todesopfer.
Indes ist gegen die drei mutmaßlichen israelischen Mörder des palästinensischen Jugendlichen Mohammed Abu Khdeir Anklage erhoben worden. Der 16-Jährige soll bei lebendigem Leib verbrannt worden sein – ein mutmaßlicher Racheakt nach der Ermordung von drei israelischen Jugendlichen, die zuvor verschleppt worden waren.
Die Morde an den Teenagern waren der Anlass zu Unruhen im Nahen Osten gewesen und hatten zur Konfrontation zwischen der radikalen Hamas und Israels Streitkräften geführt.
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