Nach Luftalarm: Israel weitet Angriffe aus
Auch in der Nähe von Tel Aviv schlugen Raketen ein. Die UNO warnt vor den Folgen. Aufregung in Israels größter Stadt. Am frühen Abend war in Tel Aviv zumindest eine Explosion zu hören. Dann der Luftalarm. Das hat es seit 1991 nicht mehr gegeben. In den Gazastreifen wurde offenbar eine neue Generation von Raketen geschmuggelt, hieß es auf dem Sender Al Jazeera, die mittlerweile Ziele in 80 Kilometern Entfernung, statt bisher nur 30–40, erreichen können. Ein Einschlag einer Rakete in Tel Aviv, dem „Herzen“ Israels, wurde aber bis zum späten Abend nicht bestätitgt.
Schon davor waren mehr als 200 Geschoße aus dem Gazastreifen auf israelisches Gebiet abgefeuert worden. Israels Armee antwortete zunächst von Schiffen aus, dann mit einem Bombardement aus der Luft. Operation „Säule der Verteidigung“ – das ist der Deckname der israelischen Militäraktion, die seit Mittwochabend läuft. Panzer, Kampfjets und Kriegsschiffe nahmen bis Donnerstag mehr als 150 palästinensische Ziele ins Visier. Dabei wurden mindestens 16 Palästinenser getötet, darunter der elfjährige Sohn eines BBC-Kameramanns in Gaza-Stadt.
Das bisher prominenteste Opfer ist der Militärchef der radikalen Hamas, die in Gaza seit 2007 das Sagen hat: Ahmed al-Dschabari wurde gezielt getötet. Die Hamas sprach von einer „Kriegserklärung“ und kündigte mit den Worten „Das Tor zur Hölle wurde aufgestoßen“ Rache an. Obwohl Israels Abwehreinrichtungen laut eigenen Angaben ein Viertel der Raketen abfangen konnten, detonierte eine im obersten Stock eines Wohnhauses in Kiriat Malachi. Zwei Frauen und ein Mann wurden getötet.
USA stärken Israel
„Es gibt eine Grenze dessen, was Israel ertragen kann“, rechtfertigte Staatspräsident Shimon Peres die israelische Militäroperation in einem Telefonat mit seinem US-Amtskollegen Barack Obama. Letzterer telefonierte auch mit Israels Premier Benjamin Netanyahu und betonte dabei angeblich das Selbstverteidigungsrecht Israels. Zuvor hatte Netanyahu die Ziele der Angriffe aus der Luft, am Boden und zur See „zum Schutz der Zivilbevölkerung“ erläutert. Zumal eine Million Israelis potenziell unter Feuer leben müssten, wie ein Armeesprecher anmerkte. Aus diesem Grund blieben am Donnerstag alle Schulen geschlossen, die in einer 40-Kilometer-Zone zum Gazastreifen liegen.
Regierungsvertreter in Tel Aviv betonten, dass man vorbereitet sei für eine Ausweitung der Militäraktion. Auch eine Bodenoffensive sei eine Option. Sollten die Raketenangriffe der Palästinenser nicht beendet werden, würde man auch Hamas-Führer Haniyeh als legitimes Ziel erachten. Die Spitze in Gaza beeindruckte das aber wenig: „Ihr könnt die Palästinenser weitere 60 Jahre bekämpfen, aber ihr könnt uns nicht brechen“, so ein Sprecher.
Aggression
Noch in der Nacht zum Donnerstag kam in New York auf Drängen Ägyptens der UN-Sicherheitsrat zur Sondersitzung zusammen. Beide Konfliktparteien wurden zur Zurückhaltung aufgefordert. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon warnte vor „katastrophalen Folgen“. Ägypten setzt sich ein Vor allem die neuen Machthaber in Kairo haben die „israelische Aggression“ scharf verurteilt. Präsident Mohammed Mursi sagte: „Wir stehen an der Seite der Palästinenser“ und trommelte das Kabinett zu einer Krisensitzung zusammen. Zuvor zog er den ägyptischen Botschafter aus Israel ab. Für heute wird eine Delegation aus Kairo unter Führung von Premier Hisham Kandil im Gazastreifen erwartet. Unterdessen wurde der Rafah-Grenzübergang zwischen Gaza und Ägypten geöffnet. Um Verletzte versorgen zu können, wie es hieß. Israelis sorgen sich, dass islamistische Kämpfer über diesen Weg kommen könnten.
Nach der Revolution am Nil wird Ägypten von der konservativen Muslimbruderschaft regiert. Diese steht der Hamas traditionell nahe. Zugleich ist Ägypten neben Jordanien das einzige Land in der arabischen Welt, das mit Israel Frieden geschlossen hat. Kairo kommt im israelisch-palästinensischen Konflikt daher in zweifacher Hinsicht eine Schlüsselrolle zu.
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