Nach Dauerpatt nimmt Israels Regierung Formen an

Nach Dauerpatt nimmt Israels Regierung Formen an
Netanyahu und Koalitionspartner Gantz belauern sich aber ständig – und stehen vor Berg von inneren und äußeren Problemen.

Elf Richter des Obersten Gerichts in Israel entschieden in der Nacht zum Donnerstag einstimmig: „Wir wollen richterliche Einmischung in legislative Angelegenheiten vermeiden.“ Somit kann Israels Parlament, die Knesset, den seit fast zwei Jahren als Übergangspremier amtierenden Benjamin „Bibi“ Netanyahu mit der Bildung einer neuen Koalition und Regierung beauftragen. Obwohl dieser wegen Betrugs, Veruntreuung und Korruption noch im Mai vor Gericht stehen wird.

Noch offene Fragen

Konkret heißt das: Grünes Licht der Richter für das Parlament. Keine freie Fahrt für Netanyahu. So betonen die Richter mehrfach, dass sich ihre Entscheidung nicht auf bisher offene Details im Koalitionsabkommen beziehe, das noch nicht einmal unterzeichnet ist. Ihre Entscheidung bezieht sich auch nicht auf die Frage, ob aus dem angeklagten Netanyahu ein vorbestrafter Premier werden kann. Wiederholt erwähnen die Richter „nicht unbeträchtliche juristische Probleme“ wie auch die „zu diesem Zeitpunkt“ beschränkte Gültigkeit ihrer Entscheidung.

Verfassung geändert

Nur Stunden später waren die für das geplante Koalitionsabkommen notwendigen Änderungen im Grundgesetz in der Knesset verabschiedet. So soll die Amtszeit für das Parlament zwischen drei und 4,5 Jahren variieren können. Ebenso verwirrend: Netanyahu und Benjamin Gantz, dessen Mitte-links-Block mit Netanyahu koaliert, können sich ein Mal, aber auch zwei Mal als Premier ablösen. Ein Konstrukt, das nicht auf Vertrauen der Bündnispartner beruht, sondern auf deren uneingeschränktem Misstrauen.

Doch eine vierte Wahl?

Trotzdem: Eine neue Regierung soll schon kommende Woche vereidigt werden. Doch muss das dazu notwendige Abkommen bis dahin noch fertig ausgearbeitet werden. Wobei die Gantz’ Blau-Weißen befürchten, Netanyahu könne in 18 Monaten, also kurz vor dem abgemachten Ämtertausch, die Knesset auflösen. Was ihn zum unkündbaren Übergangspremier machen würde. Die in Israel so befürchteten „vierten Neuwahlen in einem Jahr“ wären damit aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.

Netanyahu mit guten Karten

So stehen die potenziellen Partner Netanyahus unter Druck. Zögern sie zu lange, liefe dessen Mandat in zwei Wochen aus. Wodurch ein vierter Urnengang ebenfalls automatisch anstünde. Nach jetzigen Umfragen könnten die potenziellen Partner dabei nur verlieren – Netanyahu würde erneut zulegen. Mit dieser Möglichkeit rechnen nur wenige.

Opposition umgangen

Parallel laufen derzeit auch Versuche, die Opposition weitgehend zu schwächen. Etwa durch Abschaffung der Tradition, den Vorsitz wichtiger Ausschüsse der Opposition zu überlassen. Bei der Ernennung neuer Richter soll die Opposition ganz ausgeschaltet werden. „Nicht unbeträchtliche juristische Probleme“ heißt es im Urteil.

Politische Inhalte fehlen

Generell regelt das Koalitionsabkommen primär, wie sich die politischen Erzfeinde gegenseitig in Schach halten. Politische Inhalte finden kaum Beachtung. Angefangen von einer möglichen Annexion besetzter palästinensischer Gebiete bis hin zu dringend notwendigen sozialen Reformen.

Doch trotz des angedrohten Sturms fanatischer „Bibi“-Fans auf das Gerichtsgebäude: Das grüne Licht der Richter führt keineswegs ins „Ende der Demokratie“ Israels. Es führt aber in den Beginn einer Regierungskoalition, deren innere wie äußere Probleme endlos erscheinen.

Kommentare