Nach Halle: Behörden wollen jetzt Gaming-Plattformen ins Visier nehmen

Nach Anschlag in Halle
Rechtsextremismus und Hassverbrechen nehmen zu, warnt der deutsche Verfassungsdienst und kündigt Taten an.

Der Fall des 27-jährigen Deutschen, der vorige Woche in Halle versucht hat, in einer Synagoge ein Blutbad anzurichten und schließlich zwei Menschen tötete und ein Ehepaar schwer verletzte, soll Folgen haben. Der Täter gestand antisemitische und rechtsextreme Motive - und er hatte zuletzt einen großen Teil seines Lebens online verbracht.

Jetzt wollen der deutsche Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt rechte Hetzer und Extremisten mit mehr Personal und neuen Methoden unter Druck setzen.

Rechtsrock-Konzerte

Dazu gehören eine stärkere Beobachtung im Internet, weitere Vereinsverbote, aber auch Maßnahmen gegen Kampfsport-Festivals und Rechtsrock-Konzerte, bei denen Extremisten Geld einnehmen und neue Kontakte knüpfen. Im Rechtsextremismus seien „neue Anlaufpunkte“ und „neue Akteure“ aufgetaucht - „Priorität und Methodik“ müssten daher angepasst werden, heißt es aus den Sicherheitsbehörden.

„Man muss sich natürlich fragen, was sind die Wurzeln, was sind die Ursachen solcher rechtsextremer Ideologie, Antisemitismus, woher kommt das?“, sagt der Verfassungsschutz-Präsident, Thomas Haldenwang. Hier spielten auch Gruppierungen der sogenannten Neuen Rechten, wie etwa die Identitäre Bewegung, eine Rolle, von denen „die ideologischen Vorgaben“ für Menschen wie den Attentäter von Halle kämen.

Gaming-Plattformen

Soziale Netzwerke, Gaming-Plattformen und Messengerdienste würden von Rechtsextremisten zunehmend als Kommunikationsräume zur Verbreitung ihrer Feindbilder und Verbrechen missbraucht, führt der Verfassungsschutz-Chef weiter aus. Das sei auch bei den Ermittlungen zu dem schrecklichen Anschlag in Halle deutlich geworden.

Mit Äußerungen über die sogenannte Gamer-Szene im Zusammenhang mit dem Anschlag von Halle hatte zuletzt der deutsche Innenminister Horst Seehofer viel Kritik auf sich gezogen. Seehofer sagte der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin" zur möglichen Bedeutung der Computerspiele im Zusammenhang mit der Tat, "das Problem ist sehr hoch". 

Seehofer sagte der ARD-Sendung, die am Sonntagabend ausgestrahlt werden sollte, viele der potenziellen Täter kämen aus der Szene und würden sich Simulationen geradezu als Vorbild nehmen. Deshalb müsse genau hingeschaut werden, ob es noch um ein Computerspiel gehe "oder eine verdeckte Planung für einen Anschlag". 

"Nicht Games, sondern der Rechtsextremismus ist das Problem"

In einem von der ARD vorher auf Twitter veröffentlichten Ausschnitt des Interviews sagte Seehofer weiter, "und deshalb müssen wir die Gamer-Szene stärker in den Blick nehmen".

Der Deutsche Kulturrat wies die Äußerungen zurück. Diese verstellten die Sicht auf das wirkliche Problem. "Nicht Games, sondern der Rechtsextremismus ist das Problem", erklärte der Geschäftsführer des Spitzenverbands der Kulturverbände, Olaf Zimmermann.

Der Verband der deutschen Games-Branche, Game, sprach von einem Generalverdacht durch den Innenminister. Dies zeuge "vor allem von Unkenntnis und Hilflosigkeit und lenkt von den wirklichen gesellschaftlichen und politischen Ursachen für solche Taten ab", erklärte Game-Geschäftsführer Felix Falk.
 

Die deutsche Polizei stuft im rechten Spektrum aktuell landesweit 43 Menschen als sogenannte Gefährder ein. Als Gefährder bezeichnet die Polizei im Bereich der politisch motivierten Kriminalität Menschen, denen man schwere Gewalttaten bis hin zu Terroranschlägen zutraut.

115 weitere Rechte gelten als „relevante Personen“. Zum Vergleich: Ende 2016 gab es 22 Gefährder. Mit der geplanten Einführung eines standardisierten Einstufungsverfahrens für potenziell gefährliche Rechtsextremisten dürfte die Zahl wohl noch weiter steigen.

Der Halle-Attentäter B. hatte seinen Anschlag gefilmt und die Aufnahmen auf der Gaming-Plattform Twitch live übertragen. Das Portal ist eigentlich dafür gedacht, dass Spieler anderen live zeigen, wie sie ein Videospiel spielen. Sein Twitch-Konto hatte B. erst kurz vor dem Angriff eingerichtet.
 

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