Moskau zieht die Daumenschrauben an
Unerwünschte ausländische Organisationen" müssen ihre Vertretungen in Russland schließen, ihre Mitarbeiter werden ausgewiesen oder dürfen gar nicht erst einreisen. Betroffen sind neben nichtstaatlichen auch internationale und "kommerzielle" Organisationen. Das seien Unternehmen, deren Aktionäre am "negativen Russland-Bild" im Ausland mitgestrickt hätten: Rating-Agenturen, die Russlands Kreditwürdigkeit herabstuften, und Medien.
So jedenfalls formulierte es Alexander Taranski von der pseudo-oppositionellen Mitte-links-Partei "Gerechtes Russland". Er und ein Kollege von den ultranationalen Liberaldemokraten haben einen entsprechenden Gesetzesentwurf eingebracht, den die russische Duma heute, Dienstag, in erster Lesung behandelt. Der Ausschuss für Verfassungsrecht und Staatsaufbau hat die Annahme bereits empfohlen. Ausländische Organisationen könnten "für den Kampf um weltweiten Einfluss instrumentalisiert" werden. Ziel der Novelle seien daher "vorbeugende Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit, der verfassungsmäßigen Ordnung sowie der nationalen und legitimen Interessen der Bürger".
Geldstrafen
Wie die Direktorin des Moskauer Büros der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, Tatjana Lokschina, russischen Medien sagte, habe der Staat zwar schon alle Möglichkeiten, die Tätigkeit unerwünschter Organisationen zu unterbinden. Nur konnten ihre Mitarbeiter bisher strafrechtlich nicht verfolgt werden. Künftig drohen ihnen Geldstrafen von bis zu 100.000 Rubel – derzeit ca. 14.000 Euro – und Haft zwischen fünf und acht Jahren. Auch jenen, die sich bei Veranstaltungen "Unerwünschter" im Ausland negativ zu Russland äußern. Einspruch gegen Strafen, Ausweisung oder Verbot sieht der Entwurf derzeit nicht vor.
Mit dem Gesetz, so die Moskauer Wirtschaftszeitung Wedomosti, seien der Fantasie von Beamten, die Sicherheit und öffentliche Moral bedroht sehen, keine Grenzen mehr gesetzt. Generalstaatsanwaltschaft und Außenministerium müssten einschlägige Verbote nicht einmal mehr begründen und würden damit zu "Handlangern der Geheimdienste" degradiert. Eigentliches Zielobjekt der Novelle, glaubt die Wirtschaftszeitung RBK daily, seien "potenzielle Sponsoren einer Revolution in Russland". Dabei ergaben jüngste Umfragen, dass die Mehrheit der Russen trotz schlechter Wirtschaftslage zu Kremlchef Wladimir Putin steht und eher versuchen wird, "durchzukommen" statt zu protestieren.
Erwartungen des Westens an die Wirkung der Sanktionen seien maßlos überzogen, warnt sogar Andrei Illarionow: Putins ehemaliger Wirtschaftsberater und inzwischen einer seiner schärfsten Kritiker. Innenpolitisch, sagte Illarionow, der seit 2006 für das Cato-Institut – eine der einflussreichsten Denkfabriken in den USA – arbeitet, in einer Talkshow bei Radio Echo Moskwy, drohe Putin selbst bei weiterer Verschlechterung der Wirtschaftsdaten keine Gefahr.
Einen dramatischen Absturz prophezeit die Osteuropa-Bank EBRD der russischen Wirtschaft: Wegen des stark gefallenen Ölpreises werde die Wirtschaftsleistung im laufenden Jahr um fast 5 Prozent einbrechen, sagte EBRD-Ökonomin Piroska Nagy bei der Präsentation des aktuellen EBRD-Berichtes. Schlimmer noch: Die gesamte Region in Osteuropa und Zentralasien, in der die EBRD tätig ist, wird mit -0,3 Prozent ebenfalls in die Rezession fallen. Das ist ein signifikanter Einbruch: Noch im September 2014 hatten die Experten ein Plus von 1,7 Prozent erwartet.
Ölpreis trifft Exporteure
Schuld ist vor allem der Absturz des Ölpreises, der das große Exportland Russland, aber auch Länder wie Kasachstan, Aserbaidschan oder Turkmenistan, ins Mark trifft. Obendrein leiden alle Länder der Region auch von der geringeren Nachfrage nach Gütern aus Russland, von sinkenden Auslandsinvestition und durch einen Rückgang der Geldsendungen, die von Migranten in die Heimat überwiesen werden.
Noch vergleichsweise besser geht es jenen Ländern, die Ölimporteure sind: Hier wirkt der niedrigere Ölpreis wie ein Konjunkturschub. Allerdings ist für die Länder in Zentral- und Osteuropa die politische Unsicherheit in der Eurozone vor der Griechenland-Wahl ein Bedrohungsszenario, sagte Nagy.
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