Mörder von Polizisten-Paar drohte: "EURO wird zum Friedhof"

Larossi Abballa, 25, tötete einen Polizisten und dessen Lebensgefährtin
Der Mord an zwei Polizisten in ihrem privaten Umfeld eröffnet ein neues Spektrum des Terrors. Wieder ist es ein junger Krimineller, der in die Fänge von Islamisten geriet.

Es war gewissermaßen voraussehbar, aber konnte trotzdem nicht verhindert werden. Es ist diese immer wiederkehrende Feststellung nach Angriffen von Dschihadisten, die am Dienstag die – natürlich heftigen – Reaktionen französischer Politiker und Sicherheitsbeamten ziemlich hilflos erscheinen ließen, während sich in der Bevölkerung stellenweise eine gewisse Abgestumpftheit breitmachte.

Dabei war der Doppelmord an einem Polizistenpaar durch einen jungen Islamisten auf dem Gelände ihres privaten Einfamilienhauses in einer geruhsamen Kleinbausiedlung nordwestlich von Paris eine grausame Premiere. "Wir hatten schon alle möglichen Attacken auf Kommissariate und Kollegen in Uniform, aber noch nie einen Angriff auf Polizisten nach Dienstschluss in ihrer privaten und familiären Sphäre" erklärte ein Polizei-Gewerkschaftler: "Der Mörder hat unseren Kollegen beschattet und ihm nachgestellt. Wir sind also nirgendwo mehr in Sicherheit, das ändert alles."

Geiselnahme

Tatsächlich hatte Larossi Abballa, ein 25-jähriger Franko-Maghrebiner, in einem Gebüsch neben dem Eingang zum Grundstück seiner Opfer gelauert und sich mit seinem Messer zuerst auf Jean-Baptiste Salvin gestürzt. Dieser Polizeioffizier, der das Kommissariat im Vorort Muraux leitete und gerade von seinem Arbeitsplatz heimkehrte, wurde sofort schwer verletzt. Er konnte sich aber noch aufraffen und Nachbarn zurufen, sich in Sicherheit zu bringen. Erst danach gelang es Abballa, den Polizisten zu töten, wobei er, wie Zeugen berichteten, "Allahu akbar" (Gott ist groß) rief. Dann drang er ins Haus ein und nahm dort die Lebensgefährtin des Offiziers, Jessica Schneider, ebenfalls Polizeibeamtin im Kommissariat, des Vororts Mantes-la-Jolie, und ihr dreijähriges Kind als Geiseln.

Die Polizei umzingelte das Haus, eine Beamtin versuchte, mit dem Geiselnehmer zu verhandeln. Abballah erklärte, er habe sich vor drei Wochen dem "Islamischen Staat" angeschlossen. Er schlug alle Verhandlungsangebote aus und versuchte statt dessen, die Beamtin in eine Diskussion über Religion zu verwickeln. Als schließlich die Sondereinheit "Raid" um Mitternacht das Haus stürmte, schmiss sich Abballa im Kugelhagel den Beamten mit gezücktem Messer entgegen und rief neuerlich "Allahu akbar". Im Haus fand man die Frau mit durchgeschnittener Kehle, das Kind war unversehrt geblieben.

Mordaufruf

Schon gegen 21 Uhr hatte Abballa ausgehend von seinem Handy über die neueste "Facebook-Live"-Anwendung einen Film versandt. Darin rief er zu weiteren Morden gegen Polizisten, Journalisten und Rap-Musiker auf. "Die EURO wird zum Friedhof", erklärte er und meinte mit Schwenk zum Baby, das auf einer Couch hinter ihm lag: "Ich weiß noch nicht, was ich mit ihm machen werde."

Abdalla, der aus Mantes-la-Jolie stammte, war für die Behörden kein unbeschriebenes Blatt. Er war zuerst durch Hehlerei und kleinere Diebstähle mit der Justiz in Konflikt geraten, später waren Gewaltdelikte dazugekommen. Dann geriet er in die Fänge radikaler Islamisten und wurde selber zu einem aktiven Mitglied einer Dschihadisten-Zelle, die andere Jugendliche nach Afghanistan entsandte. Seine Verwicklung war immerhin so schwerwiegend, dass er 2011 festgenommen wurde und 2013 zu einer dreijährigen Haftstrafe mit sechs Monaten Bewährung verurteilt wurde (was sich mit seiner U-Haft-Periode deckte).

Zuletzt betrieb er ein kleines Schnell-Lieferservice für Pizza. Im Internet beschwerte er sich über die Unfreundlichkeit seiner Kunden. Seit März wurde er abgehört. Die Behörden fanden aber keine weiteren Hinweise, die auf eine "bevorstehende Tat" schließen ließen. Aus seinem Umfeld wurden gestern drei Verdächtige festgenommen.

Brandgefährlich

Die Kommissariate, in denen die Opfer arbeiteten, befinden sich in zwei Trabantenstädten, die zu den sozialen Krisenzonen rund um Paris zählen und immer wieder von Zusammenstößen zwischen Jugendlichen und Polizei erschüttert werden. Manchmal provozieren Halbwüchsige die Polizei. Es ist zu befürchten, dass diesmal, wie auch nach vormaligen Dschihadisten-Anschlägen, Jugendliche die Polizisten verhöhnen, indem sie den Tod der Beamten bejubeln. Eine brachiale Polizei-Reaktion könnte einen Flächenbrand der Sozialbau-Siedlungen auslösen wie 2005, als es zu wochenlangen Ausschreitungen kam. Aus Unterlagen des "Islamischen Staats" geht schon lange hervor, dass seine Ideologen, die muslimische Jugend in Europa überzeugen wollen, dass sie im Westen keine Zukunft habe. Das erklärte strategische Ziel lautet: Die Jugendlichen entweder in einen Aufstand oder ins Exil in den Nahen Osten zu hetzen.

Kommentare