EU-Millionen für erfundene Schafe: Skandal erschüttert griechische Politik

Eine Schafherde auf Kreta
Griechische Bauern haben mutmaßlich Hunderte Millionen an EU-Fördergeldern kassiert. Der Skandal kommt auch dem Premier gefährlich nahe.

Schafherden, die nie auf einer Weide, sondern nur auf dem Papier standen, verschachtelte Pachtverträge mit Feldern und Wiesen - und das alles auf Kosten des EU-Agrarbudgets, um dessen Reform in Brüssel ohnehin gerade heftig gestritten wird: Ein Skandal um Hunderte Millionen ergaunerter EU-Fördergelder erschüttert Griechenlands Spitzenpolitik und kommt auch Premier Kyriakos Mitsotakis gefährlich nahe.

Schließlich steht im Zentrum der Affäre Mitsotakis' Heimatinsel Kreta und gleich mit dazu einige der dortigen Großbauern, die nicht nur einflussreiche Mitglieder in der Nea Dimokratia, der Partei des Regierungschefs,  sind, sondern auch zu dessen persönlichem Freundeskreis gehören.

FILE PHOTO: Greek PM Mitsotakis visits Germany

Unter Druck: Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis  

Es ist nicht das erste Mal, dass die griechische Landwirtschaft ins Visier der EU-Kommission, aber auch in das der Ermittlungsbehörden in Brüssel und der Europäischen Staatsanwaltschaft gerät. Erst vor wenigen Wochen hat die Kommission rund 400 Millionen Euro an Agrarförderungen wegen deren missbräuchlicher Verwendung in den vergangenen Jahren zurückgefordert.

Doch der aktuelle Skandal droht nicht nur durch sein Ausmaß, sondern auch durch die Verwicklung ranghoher Politiker alles bisherige zu übertreffen. 

Minister-Rücktritte

Rund 3.000 Seiten hat die EU-Staatsanwaltschaft EPPO bisher zum aktuellen Fall zusammengetragen. Die wurden dem Parlament in Athen übergeben und hatten umgehend dramatische Folgen: Sechs Minister oder Staatssekretäre aus Mitsotakis' Mitte-Rechts-Regierung traten umgehend zurück, nachdem sie in den Akten genannt oder sogar offen krimineller Handlungen bezichtigt worden waren.

Die inzwischen bekannt gewordenen Details zeichnen ein Bild von Betrug und Aktenfälschung in riesigem Ausmaß. So wurden vor allem auf der Insel Kreta Schaf- und Ziegenherden für Förderungen eingereicht, die nie existiert hatten. In einigen Fällen wurden Hunderte Tiere aus anderen Gegenden unmittelbar vor Kontrollen durch die Behörden eilig angekarrt, damit die Kontrolleure nicht auf leeren Wiesen standen.

Um die Förderungen aus Brüssel weiter anzukurbeln, pachteten Großbauern, die ohnehin bereits Unsummen kassierten, Weiden und Felder auf anderen griechischen Inseln, auf denen man dann offensichtlich ebenfalls nur in den Förderanträgen existierende Tierherden platzierte. Manchmal ging man mit dem Pachten so freizügig um, dass man sich dafür sogar bei Flächen im benachbarten Nordmazedonien bediente.

Die juristischen Möglichkeiten der EU-Behörden sind in Griechenland allerdings gesetzlich stark beschränkt, vor allem, wenn Parlamentarier oder Regierungsmitglieder involviert sind, Ermittlungen gegen sie darf nur das Parlament in Athen einleiten.

Dort drängt die linke Opposition auf einen Untersuchungsausschuss, den aber blockiert die Regierungsmehrheit. Die will, dass sich die Ermittlungen auf jene Behörde konzentrieren, die in Griechenland für die Verteilung von EU-Agrarförderungen zuständig ist. Diese OPEKEPE war laut bisherigen Ermittlungen der EU-Staatsanwaltschaft die Drehscheibe für all die Betrügereien - und ist von der Regierung inzwischen geschlossen worden.

Doch was die Ermittlungen ebenfalls klar dokumentieren, sind die direkten Interventionen griechischer Politiker bei dieser Behörde, um an Geld für ihre Regionen oder Wahlbezirke heranzukommen. Keine Einzelfälle, sondern das Ergebnis strategischer Planung. In den bekannt gewordenen Akten ist von "Handlungen krimineller Gruppen" zu lesen.

Die Opposition sieht daher in den jetzt laufenden Ermittlungen gegen OPEKEPE ein Ablenkungsmanöver, man müsse sich auf die Spitzenvertreter der Regierungspartei konzentrieren. Damit aber rückt der Skandal auch Premier Mitsotakis immer näher.

Schließlich sind die betroffenen Minister enge Vertrauensleute, und die Landwirte auf Kreta, die die Gelder einsteckten, sitzen nicht nur an der Spitze politiknaher Genossenschaften, sondern feierten - wie auf Fotos gut dokumentiert - auch regelmäßig mit dem Regierungschef.

Pyramide an Korruption

Mitsotakis habe schon lange von all den Machenschaften gewusst und die Ermittlungen im Land bewusst blockiert, wirft dem die linke Opposition vor. Es gehe um eine regelrechte Pyramide an Korruption, an deren Spitze nur eine Person steht, Mitsotakis."

Der wiederum versucht seit Wochen, die Wogen zu glätten und Zeit zu gewinnen. Als man ihn im Parlament vor zwei Wochen mit all den Spuren, die zu ihm selbst führen, konfrontierte, meinte er nur: "Wir ringen um eine endgültige Lösung für das Problem."

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