Mit Schärpe, Schwert und Schießpulver: König Charles leitet Labour-Ära ein
Erstmals seit 14 Jahren eröffnete der britische Monarch das Parlament für eine Labour-Regierung. Diese verspricht mehr Wohnraum und eine erste Rückkehr zur Verstaatlichung.
„Suchtruppe, Marsch!“, hallt kurz nach halb elf der Ruf der Yeoman-Garde durch das britische Oberhaus. Dann vibrieren die aufschlagenden Gehstöcke der Garde auf dem steinernen Boden und der Trupp in edler rot-goldener Uniform inspiziert die Räumlichkeiten weiter auf Schießpulver.
Natürlich suchen sie dabei aber nicht wirklich nach Sprengstoff. Dieser Vorgang ist, wie alles an diesem Tag, Teil eines Jahrhunderte alten Ritus.
Doch wenn die Briten in etwas gut sind, dann sich mit Pauken und Trompeten in Szene zu setzen. Und so wird das Parlament auch am 17. Juli mit Pomp und Prozedere eröffnet. Dem Oberhaus-Beamten Black Rod wird einmal mehr die Tür des Unterhauses vor der Nase zugeschlagen. Sarah Clarke muss, wie es die Rolle verlangt, drei Mal mit dem Stock anklopfen. Wie oft das schon passiert ist, deutet die Kerbe in der massiven Holztür an, in die sie schlägt.
Ein Parlamentsabgeordneter - diesmal Samantha Nixon - wird weiterhin als "Geisel" im Buckingham Palace gehalten, um die sichere Rückkehr des Monarchen zu garantieren.
Und König Charles wird in der Diamant-Jubiläums-Kutsche zum hoheitlichen Eintritt des Westminister Palaces geführt, um die Pläne seines neuen Parlaments zu verlesen.
Aufbruch in eine neue Ära
Und doch schwingt dem traditionellen Event diesmal eine neue Erwartungshaltung mit. Nicht nur, weil mit 355 neuen Parlamentsabgeordneten ausnehmend viele das Ritual zum ersten Mal live miterleben. Erstmals seit gut 14 Jahren verliest der Monarch auch die Pläne einer Labour-Regierung.
„Meine Regierung“, beginnt König Charles mit 1,3 Kilogramm schwerer Diamantkrone und in Purpurschärpe, die alle Stufen des kleinen Podiums hinabfällt, „wird sich dafür einsetzen, das Land in unserer gemeinsamen Mission der nationalen Erneuerung zu vereinen.“
Dass es der neuen Regierung tatsächlich gelingen könnte, alte Rivalitäten beizulegen, zeigte sich schon darin, dass der neue Premierminister Keir Starmer und der neue Oppositions-Chef Rishi Sunak tief ins Gespräch vertieft an der Prozession teilnahmen. Ab und zu lächelnd, mitunter sogar lachend.
Zum Vergleich: 2019 hatten der damalige Premier Boris Johnson und der damalige Labour-Oppositionschef Jeremy Corbyn auf diesem Weg kein Wort gewechselt.
Und auch wenn der König öffentlich keine politische Partei ergreifen darf, ist sein Gesichtsausdruck am Mittwoch fast unüblich sanft und milde.
Mehr Wohnungen, erste Verstaatlichungen
Konkret verpflichtet sich Labour in der Rede dazu, „Großbritannien zum Bauen zu bringen“. Der Wohnbau soll beschleunigt und die Rechte der Mieter erhöht werden. Das Asyl- und Einwanderungssystem soll „modernisiert“ und Privatschulbesucher zur Kasse gebeten werden. Und dann gibt es die für England so ungewöhnlichen Versprechungen einer Wieder-Verstaatlichung. Die Bahnbetreiber sollen ins öffentliches Eigentum überführt und das staatseigene Unternehmen Great British Energy gegründet werden.
„Es ist Zeit“, sagt Keir Starmer, „die Bremsen in Großbritannien zu lösen.“
Doch wie wahrscheinlich ist es, dass die Lebensrealität für die Briten tatsächlich bessert wird?
„Theoretisch“, zeigt sich Politikprofessor Tim Bale von der Queen Mary Universität vorsichtig optimistisch, „sollten all diese Maßnahmen dazu beitragen, das Wirtschaftswachstum zu steigern. Und dadurch wird es den Menschen letztlich besser gehen. Aber das wird nicht sofort der Fall sein. Selbst wenn es gelingt, einen ,Wohlfühlfaktor' zu erzeugen, der den Menschen den Eindruck vermittelt, dass es aufwärts geht.“
Camillas besonderer Tag
Für Königin Camilla war der Mittwoch noch aus einem anderen Gründen besonders: Sie wurde 77 Jahre alt.
Und so gingen die Feierlichkeiten für das Königspaar am Nachmittag weiter. Wie der Express in Berufung auf einen royalen Insider verriet, würden Charles und Camilla ihren Geburtstag im Clarence House begehen, ihrem privaten Londoner Wohnsitz.
Das nächste Zeremoniell
Für Premierminister Keir Starmer steht am Donnerstag unterdessen der nächste Staatsakt an. Großbritannien ist zum ersten Mal Gastgeber des Sicherheitsgipfels. 50 Staats- und Regierungschefs aus Europa werden dafür im grandiosen Blenheim Palace westlich von London erwartet.
Und auch hier hat sich Großbritannien glanzvolle Symbolik nicht verkneifen können. Der imposante Palast (übrigens der einzige im Land, der nicht im Besitz der Königsfamilie ist) war nämlich Geburtsort von niemand geringerem als dem früheren Premierminister Winston Churchill.
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