Zart, aber hart: Wunderwaffe Ursula
Nur fünf Tage nach Amtsantritt ist Deutschlands neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zu ihrem ersten Truppenbesuch in Afghanistan eingetroffen. Die CDU-Politikerin landete Sonntag früh (Ortszeit) mit ihrem Regierungsflieger im nordafghanischen Hauptquartier der Internationalen Schutztruppe ISAF in Mazar-i-Sharif. Die frühere Arbeitsministerin von der Leyen hatte die Verteidigungsagenden am Dienstag von Thomas de Maiziere übernommen, der an die Spitze des Innenministeriums wechselte. Die 55-Jährige ist die erste Oberbefehlshaberin in der Geschichte der Bundeswehr. In Afghanistan sind derzeit rund 3100 Soldaten der deutschen Bundeswehr stationiert, darunter etwa 200 Frauen.
Zart, aber hart
Steht man Ursula von der Leyen gegenüber, verwundert immer wieder ihre zarte Gestalt: Die 55-Jährige trägt ihre zweifellos elegantesten Kleider aller weiblichen Kabinettsmitglieder, die Kanzlerin eingeschlossen, in schmal geschnittener Größe 34. Mütter von sieben Kindern stellt man sich anders vor.
Als Kind eines hohen EU-Beamten wurde Ursula in die alte deutsche Elite hineingeboren. Ihre fünf Brüder sind heute alle in ihrem Gebiet erfolgreich. Vorbild war Vater Ernst Albrecht, der, als sein „Röschen“ 17 war, CDU-Ministerpräsident von Niedersachsen wurde. In der Familie war Politik immer ein Thema.
Familie, Job, Politik
Ursulas Weg dahin startete relativ spät: Schule in Brüssel und Hannover, nach „Einser“-Matura Studium der Volkswirtschaft, unter anderem an der London School of Economics, dann Medizinstudium, gekrönt von fünf Jahren an der kalifornischen Top-Universität Stanford. Da kamen auch die ersten drei Kinder mit Ehemann Heiko zur Welt, einem Arzt und Unternehmer.
Zurück in Niedersachsen wurde die junge Mutter Medizinwissenschaftlerin. Und startete ihre Polit-Karriere im Landkreis – neben Vollzeitjob und sieben Kindern.
Das war 2001. Es folgte eine Blitzkarriere: Nur zwei Jahre später war sie Landesministerin in Niedersachsen, wieder zwei Jahre danach saß sie im Kabinett Merkel I als Familienministerin. Aus dem Quotenjob für weibliche Wähler machte von der Leyen einen Reform-Motor: Sie setzte die einstigen SPD-Themen Elterngeld, Krippengeld und Vätermonate mit dem Wohlwollen der konservativen Kanzlerin um.
Also machte sie wieder Gesellschaftspolitik, Kernforderung: fixe Frauenquoten. Da aber kam sie erstmals Merkel ins Gehege: Unter dem Druck der Wirtschaft hatte sich die Kanzlerin gegen die Quoten entschieden. Von der Leyen blieb eisern und organisierte mit ihrer großen Medienbeliebtheit Widerstand – Lager-übergreifend zur SPD. Diese Illoyalität hätte sie fast die Karriere gekostet. Nur ihr Klein-Beigeben in letzter Sekunde rettete sie. Die Episode zeigt perfekt ihren Ehrgeiz, ihre Zielstrebigkeit, aber auch ihre Schwäche als Teamspieler .
Ihr Limit heißt Merkel
Und sie zeigt, dass auch ihr Limit Merkel heißt: Die Kanzlerin hat alle potenziellen Konkurrenten in der Union klein gemacht, ohne Erbarmen. Seither wehrt von der Leyen Fragen nach weiteren Ambitionen mit der klugen Floskel ab: „Die Generationen vorher hatten Adenauer und Kohl als große CDU-Kanzler, die meine hat Merkel.“
So professionell agiert von der Leyen auch in den Medien. In Talkshows lässt sie es auch menscheln: Von der Einsicht, dass sie „kein Vorbild für Mütter“ bei der Verbindung von Beruf und Familie sei, „weil immer Kindermädchen da waren“. Bis zur ehrlichen Träne, wenn sie über den dementen Vater spricht, der auf dem Familienanwesen gepflegt wird.
Mega-Herausforderung
Damit kaschiert man den Ehrgeiz. Weil sie ihr großes Ressort an die SPD verlor, die auch ihre Alternative des Außenamts bekam, handelte von der Leyen Merkel den Job von Thomas de Maiziere ab, der den zu gerne weitergemacht hätte. Ihr „Heidenrespekt vor der Aufgabe“ ist damit nur Koketterie für CDU- Skeptiker, die eine Frau generell als Fehlbesetzung sehen.
Von der Leyen steht vor der größten Herausforderung ihrer Karriere. An der kann sie scheitern wie die meisten Männer. Reüssiert sie aber als „Rommel mit Blondhelm“ (ein TV-Komiker), wird sie CDU-Kanzlerkandidatin, so es Merkel nicht mehr sein will. Und wenn doch, wird das „Röschen“ mit Dornen die erste Bundespräsidentin.
„Ich habe nicht gedient“, antwortete Ursula von der Leyen keck auf die Frage, ob sie etwas von Verteidigungspolitik verstehe. Den Tipp, mit diesem Schmäh ihren Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, könnte sie von Jeanine Hennis-Plasschaert bekommen haben. Die 40-Jährige hat in einem Interview mit dem Spiegel ihrer neuen Amtskollegin ein paar Ratschläge gegeben. Sie habe sich etwa einen Rucksack für ihre persönlichen Sachen zugelegt – weil ihr Adjutant ihre Handtasche nicht tragen wollte.
Den Wirbel darum, dass Von der Leyen als Frau der oberste Befehlshaber des Heeres ist, solle die Deutsche für sich nutzen, so die Liberale Hennis-Plasschaert. Das gesteigerte Medieninteresse biete die Möglichkeit, „den Streitkräften die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die sie verdienen“.
Neben Von der Leyen und Hennis-Plasschaert sitzt auch noch Karin Enström (47) aus Schweden bei den EU-Verteidigungsministertreffen. Die Konservative ist nicht die erste Frau an der Spitze von Schwedens Heer. 2002 wurde die Sozialdemokratin Leni Björklund Ressortchefin. Erste weibliche Verteidigungsministerin in Europa wurde 1990 Elisabeth Rehn (Finnland). Die bekannteste Ressortchefin war die französische Konservative Michèle Alliot-Marie von 2002 bis 2007, die danach noch Innen- und Außenministerin wurde. Am meisten aufsehenerregend war die Bestellung der damals 37-jährigen Carme Chacón zur spanischen Verteidigungsministerin 2008. Sie war im siebten Monat schwanger und reiste mit Babybauch zum Truppenbesuch in Afghanistan. Nach der Geburt war sie nur knapp acht von den ihr zustehenden 16 Wochen zu Hause.
Kommentare