Militärstrategen: Ukrainischer Teilabzug aus "der Hölle" Bachmut möglich
95 Angriffe hat das ukrainische Militär alleine am Sonntag in der Region um die ostukrainische Stadt Bachmut nach eigenen Angaben abgewehrt. Dennoch konnten russische Truppen nördlich der heftig umkämpften Stadt vorrücken.
"Die Situation in Bachmut und Umgebung ist ziemlich die Hölle, wie auf der ganzen Ostfront", schildert Wolodymyr Nasarenko, ein ukrainischer Kommandeur in Bachmut, die kritische Lage auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. Doch die ukrainische Verteidigung halte - noch.
Seit Monaten wird um Bachmut, wo vor dem Krieg etwa 74.000 Einwohner lebten, gekämpft. Die Stadt, in deren Ruinen nach offiziellen Angaben noch etwa 5.000 Zivilisten ausharren, wurde dabei praktisch komplett zerstört.
Lange konnten die ukrainischen Verteidiger die russischen Angriffe dank gut ausgebauter Stellungen in der Stadt verteidigen und den Russen hohe Verluste bei ihrem langsamen Vormarsch zufügen.
Inzwischen konnten russische Kampfeinheiten Bachmut von drei Seiten einkreisen und in Richtung der letzten Zufahrtsstraße aus dem Hinterland zur Versorgung der ukrainischen Einheiten vorrücken.
Entsprechend häuften sich zuletzt Indizien und Berichte über einen geplanten Truppenabzug der Ukrainer.
Truppen könnten sich zurückziehen
Kiew könnte laut Militärbeobachtern einen Teil seiner Streitkräfte aus der seit Monaten umkämpften Stadt Bachmut abziehen. „Die ukrainischen Kräfte könnten sich, angesichts der durch Bilder mit Geolocation bestätigten Zerstörung der Eisenbahnbrücke über den Fluss im Nordosten von Bachmut am 3. März, von ihren Positionen am Ostufer des Bachmutka-Flusses zurückziehen“, schrieb das in den USA ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW).
Eine offizielle Bestätigung für den Abzug gab es vom ukrainischen Militär bislang nicht. Auf den Lagekarten sind die Gebiete östlich des Bachmutka-Flusses allerdings inzwischen als russisch oder sogenannte Grauzone eingezeichnet.
Der strategische Wert Bachmuts ist nach der Vertreibung der russischen Truppen aus dem Gebiet Charkiw gering, da nun nach dem Fall keine Einkesselung des Ballungsraums zwischen Slowjansk und Kramatorsk droht. Für die russische Militärführung hat die Einnahme hingegen von große Symbolkraft, da sie Erfolge vorweisen muss.
Wagner macht Druck auf Russland
Mitten im erbitterten Kampf um die ostukrainische Stadt Bachmut erhöht die dort eingesetzte Söldner-Gruppe Wagner unterdessen den Druck auf die Regierung in Moskau. Wenn Wagner-Truppen nicht bald die im Februar versprochene Munition geliefert bekämen und sich deshalb zurückziehen müssten, drohe die gesamte Front zusammenzubrechen, erklärte Wagner-Chef Prigoschin auf Telegram.
Mit Blick auf ausbleibende Munitionslieferungen fügte er hinzu: "Im Moment versuchen wir herauszufinden, was der Grund dafür ist: Ist es nur gewöhnliche Bürokratie oder ein Verrat." Prigoschin hat wiederholt scharfe Kritik an Verteidigungsminister Schoigu geübt.
Laut britischen Geheimdiensten ersetzet Russland wegen Materialmangel zerstörte Fahrzeuge durch jahrzehntealte Modelle. Zuletzt seien sogar Transportpanzer des sowjetischen Typs BTR-50 in der Ukraine eingesetzt worden, die seit 1954 hergestellt wurden, teilte das Verteidigungsministerium in London am Montag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Zerstörte Kampfpanzer würden bereits seit Monaten durch alte Modelle des Typs T-62 ersetzt.
Selbst die 1. Gardepanzerarmee, eine der prestigeträchtigsten Einheiten, habe solche Panzer erhalten, um ihre Verluste an modernen Panzern auszugleichen. "Seit Sommer 2022 wurden etwa 800 T-62 aus den Lagern geholt", hieß es in London weiter. "Einige haben verbesserte Visiersysteme erhalten, die ihre Wirksamkeit bei Nacht höchstwahrscheinlich verbessern." Allerdings hätten die Fahrzeuge viele Schwachstellen, so fehle eine moderne Reaktivpanzerung.
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