Merkels Problem mit der Obergrenze

Griechen-Premier Tsipras (re.) führte sich als Rebell auf. Merkel und Hollande beruhigten
Der Alleingang Österreichs missfällt den Deutschen. Faymann verteidigt Lösung.

Die Lösung lässt weiter auf sich warten: In Brüssel setzt man lieber auf juristische Drohungen, wie den bitterbösen Brief von Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Die tägliche Obergrenze für 80 Asylwerber, die ab gestern, Freitag, gilt, sorgte in den Marathon-Verhandlungen beim EU-Gipfel für aufbrausende Debatten.

Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker war wütend, dass Österreich mit seinen nationalen Alleingängen eine gemeinsame, europäische Flüchtlingspolitik und die gesamte Agenda der Brüsseler Behörde unterlaufe. Ein schwerer Schlag für die Kommission.

Auch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte entrüstet auf die Obergrenze, versteckte ihre Enttäuschung über Amtskollegen Werner Faymann aber in nichtssagenden Erklärungen ("Wir hatten eine Aussprache"). Klartext sprach am Freitag Bundesinnenminister Thomas de Maizière, er drohte mit einer Retourkutsche. "Falls einige Länder versuchen sollten, das gemeinsame Problem einseitig und zusätzlich auf den Rücken Deutschlands zu verlagern, so wäre das inakzeptabel und würde von uns auf Dauer nicht ohne Folgen hingenommen."

Der Druck auf den Bundeskanzler war beim EU-Gipfel groß, Österreich möge die Obergrenze für vier Wochen aussetzen. Merkel will Faymann als Verbündeten nicht ganz verlieren.

Der Kanzler blieb hart und verteidigte die Maßnahmen. "Die Obergrenze bleibt. Österreich geht mit seiner jährlichen Obergrenze von 37.500 Asylanträgen für 2016 mit gutem Beispiel voran." Italiens Premier Matteo Renzi meldete sich im Sinne Faymanns zu Wort, auch andere Sozialdemokraten waren auf seiner Seite.

Die Auseinandersetzung machte die tiefe Spaltung in drei Lager deutlich: Die einen, die ein nationales Grenzregime gutheißen. Auf der anderen Seite stehen die Hardliner, wie die Visegrád-Länder, die Balten und Dänemark, die von einer europäischen Flüchtlingspolitik nichts halten und eine Quotenregelung ablehnen.

Noch immer auf "eine Lösung der 28" hofft Merkel. Luxemburg und die EU-Kommission sind ihre Partner.

Nach Monaten des Durchwurstelns fehlt immer noch eine Vorwärtsstrategie. Jetzt soll ein eigener Krisengipfel mit der Türkei Anfang März Ergebnisse bringen. "Wir haben bestätigt, dass es keine Alternative zu einer guten, intelligenten und weisen Zusammenarbeit mit der Türkei gibt", sagte Juncker. Der Krieg gegen die Kurden spiele dabei keine Rolle.

Die Koalition der Willigen für den Türkei-Aktionsplan ist somit gestorben.

Tsipras drohte mit Veto

Gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten François Hollande knöpfte sich Merkel den griechischen Ministerpräsident Alexis Tsipras vor. Er entpuppte sich als kleiner Rebell und drohte der ohnedies angespannten und chaotisch agierenden Runde mit der Veto-Keule.

Seine Blockade sollte ein Abkommen mit Großbritannien verhindern (siehe dazu auch Seite 6). Außerdem verlangte er die Aussetzung der Flüchtlingsobergrenze durch die österreichische Bundesregierung sowie den Abriss der Zäune an der griechische-mazedonischen Grenze. Er fürchtet den Grenzwall, weil Hellas dadurch zu einem großen Auffangbecken für alle Flüchtlinge aus der Türkei werden könnte. In Bausch und Bogen warf Tsipras allen EU-Staaten Unsolidarität vor, weil sie keine Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen.

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