May sieht Brexit in Gefahr: Gespräche mit EU in der Sackgasse

May bietet Verschiebungs-Votum bei Abstimmungsniederlage an
"Wir werden die EU vielleicht niemals verlassen, wenn ein zweites Referendum stattfindet", warnte May.

Wenige Tage vor dem entscheidenden Votum im britischen Parlament über den Brexit-Vertrag treten die Verhandlungen in Brüssel auf der Stelle. Während die EU-Verhandler "realistische" Vorschläge von London forderten, forderte Premierministerin Theresa May ein letztes Entgegenkommen der EU. In einer Rede im ostenglischen Grimsby warnte sie am Freitag davor, dass der Brexit überhaupt scheitern könnte.

"Es braucht nur noch einen kleinen Schritt, um zu einem Abschluss zu kommen", sagte May. "Meine Botschaft an die EU lautet: Jetzt ist der Augenblick, jetzt ist die Zeit." In Richtung der Brexiteers, die ihren Deal gemeinsam mit der pro-europäischen Opposition zu Fall gebracht hatten, sagte die Premierministerin, dass eine Verschiebung des Brexit zu neuen Bedingungen der EU und einem zweiten Referendum führen könnte. "Wir werden die EU vielleicht niemals verlassen, wenn ein zweites Referendum stattfindet", warnte May davor, die Wähler zu enttäuschen.

Ein schlechtes Urteil

Auch Außenminister Jeremy Hunt rief die EU-Seite zu Zugeständnissen auf. "Die Geschichte wird über beide Seiten ein schlechtes Urteil fällen, wenn wir dies nicht schaffen", sagte er am Freitag der BBC. Großbritannien wolle Freund der EU bleiben. Dies bedeute, dass "kein Gift in die Beziehung gespritzt" werden dürfe.

Das britische Unterhaus stimmt am Dienstag erneut über das zwischen May und der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen ab. Beim ersten Votum am 15. Jänner hatte sie die schwerste Niederlage der jüngeren britischen Geschichte eingefahren. Vor der neuen Abstimmung versucht May Zugeständnisse der EU zu erreichen. Sie versprach verbindliche Änderungen des Vertragswerks. Damit soll vor allem die Auffanglösung für die irische Grenze aufgeweicht werden. Mit der sollen Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland nach dem Brexit vermieden werden. London beharrt aber auf eine zeitliche Befristung des sogenannten Backstops. Die EU lehnt das ab.

Während Hunt von Fortschritten in den Verhandlungen sprach, gab man sich auf EU-Seite zurückhaltend. Die EU-Kommission wollte auf mehrere Fragen keine Stellungnahme abgebe. Ein EU-Diplomat sagte, dass man derzeit Punkte diskutiere, die die EU schon vor Monaten verworfen habe. Am Freitagnachmittag wollte EU-Chefunterhändler Michel Barnier vor den Botschaftern der restlichen 27 EU-Länder den Stand der Verhandlungen zusammenfassen. In Brüssel wurde erwartet, dass auch am Wochenende weiterverhandelt werde. Im Erfolgsfall könnte May am Montag nach Brüssel reisen.

Bereits ein Kompromiss

Der irische Regierungschef Leo Varadkar betonte, dass die vereinbarte Backstop-Regelung bereits ein Kompromiss gewesen sei. Die britische Regierung habe diesen nicht durchgebracht und verlange nun Änderungen, "ohne zu sagen, was sie uns im Gegenzug anbieten würden", kritisierte Varadkar am Freitag in Dublin. Großbritannien habe das Problem durch seine Austrittsentscheidung "selbst geschaffen", betonte er.

Das Unterhaus soll am Dienstag über Mays Deal abstimmen. Sollte dieser wieder abgelehnt werden, findet am Mittwoch eine Abstimmung über einen Hard Brexit statt. Lehnen die Abgeordneten auch einen Austritt Großbritanniens ohne Vereinbarung ab, wird am Donnerstag über eine Verschiebung des Austrittsdatums abgestimmt. Diesem Drei-Stufen-Plan hatte May zustimmen müssen, um eine interne Rebellion abzuwenden.

Das Vereinigte Königreich will die EU am 29. März nach gut 45 Jahren Mitgliedschaft verlassen. Bis Ende 2020 soll es eine Übergangsphase geben, in der dort noch EU-Recht gilt. Die Zeit, die notfalls um zwei Jahre verlängert werden kann, gilt aber nur, wenn London vor dem Austritt den Vertrag mit der EU ratifiziert. Allerdings zeigten sich beide Seiten schon offen für eine Verlängerung der Frist. Bei einem Brexit ohne Vertrag werden erhebliche konjunkturelle Einbrüche befürchtet.

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