Massive Warnung vor neuer Flüchtlingswelle
Nach dem äußerst kritischen Bericht zur Türkei gab es beim EU-Außenministertreffen am Montag keine klare Linie gegenüber dem autoritären Regime in Ankara. Außenminister Sebastian Kurz lehnte erneut die Fortführung der Beitrittsverhandlungen ab. Der Europa-Abgeordnete und Menschenrechtssprecher der Europäischen Sozialdemokraten, Josef Weidenholzer, warnt vor einer Eskalation der Gewalt in der Türkei und vor einer neuerlichen Flüchtlingswelle.
KURIER: Herr Abgeordneter, Sie haben heuer vier Mal Flüchtlingslager in Griechenland besucht, zuletzt am Wochenende. Ihr Befund?
Josef Weidenholzer: Man muss damit rechnen, dass der Flüchtlingsstrom wieder zunimmt. Das große Problem ist aber das politische System in der Türkei. Ich befürchte eine massive Verschlechterung der politischen Situation. Es kann das Schlimmste eintreten. Es gibt die Gefahr eines Bürgerkrieges. Dann ist der Flüchtlingspakt hinfällig.
Die Türkei will die Visaliberalisierung bis Dezember, sonst kippt sie den Flüchtlingsdeal. Kommt die Visafreiheit?
Es gibt rote Linien, die die EU nicht überschreitet. Wir geben nicht nach. Die Visaliberalisierung wird im Parlament nicht verhandelt, weil die Türkei erforderliche Kriterien nicht erfüllt, nicht nur die Reform des Anti-Terrorgesetzes. Bis Ende Dezember kann die Visaliberalisierung nicht beschlossen werden.
62.000 Migranten sind in Griechenland. Die Umsiedlung von 30.000 Flüchtlingen ist beschlossen. Erst 5500 sind verteilt. Woran liegt es?
Als Abgeordnete müssen wir Missstände aufzeigen und Druck machen. Nur die Umsiedlung und eine Politik in den Herkunftsländern, die die Probleme an der Wurzel packt, kann helfen.
Woran liegt es, dass die Quote nicht eingehalten wird?
Es hängt damit zusammen, dass jeder die Verantwortung auf den anderen schiebt. Die Mitglieder treten zu wenig aktiv auf. Österreich, Deutschland und Schweden waren aufnahmebereit. Die Quote muss bleiben, wir brauchen dafür eine flexible Solidarität.
Portugal will 700 jesidische Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen. Athener Ämter sind nicht bereit, jesidische Familien zu listen. Warum?
2200 Jesiden in Griechenland sind als Betroffene eines Genozids besonders schutzbedürftig. Ich besuchte eben Camps mit Jesiden (Serres und Petra am Fuße des Olymps). Sie leben dort in einfachen Zelten, sie werden den Winter nicht überleben. Die Kindern gehen nicht in die Schule. Die EU-Kommission müsste als Makler das Management der Umsiedlung in die Hand nehmen.
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