Schulz' Hartz IV-Reform im Österreich-Vergleich
"Nachbessern" wolle man, "Korrekturen" vornehmen, sagt Martin Schulz: Seit der neue SPD-Kanzlerkandidat angekündigt hat, Teile der Agenda 2010 wieder rückgängig machen zu wollen, wird in Deutschland über Vor- und Nachteile der Reformen debattiert. Ist Hartz IV tatsächlich so unfair? Und wie sieht die Lage im Vergleich in Österreich aus? Der KURIER hat die wichtigsten Punkte zusammengetragen.
Längere Bezugsdauer: Damit rüttelt Schulz an einem der wichtigsten Eckpunkt der Reform, die 2003 unter Schröder durchgesetzt worden war. Damals wurde die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes von 32 auf 12 Monate verkürzt, lediglich ältere Arbeitnehmer können die Leistung – je nach Familiengröße zwischen 60 und 67 Prozent des letzten Nettolohns – maximal 24 Monate beziehen. Danach rutschen sie sofort ins Hartz-IV-System – und erleben massive Einschränkungen, die sie quasi zur Arbeitssuche zwingen sollen. Dabei wird – ähnlich wie bei der Mindestsicherung in Österreich – miteinberechnet, ob Vermögen vorhanden ist, auch Einkünfte von Lebenspartnern sorgen für Abzüge. Finanziell rutscht man als Hartz-Bezieher enorm ab: Der Regelbezug pro Person liegt bei nur 407 Euro, dazu kommen Wohnkosten, die aber nur in gewissem Ausmaß übernommen werden – wer in einer zu großen Wohnung lebt, muss umziehen.
Diesen heftigen Einschnitt, der Jüngeren schon nach einem Jahr, Älteren nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit droht, will Schulz nun mit der längeren Bezugsdauer abfedern. Österreich ist im Vergleich weniger restriktiv: Zwar bekommt man hierzulande nur 55 Prozent seines Lohns, und das auch kürzer als in Deutschland – je nach Alter und Versicherungszeiten zwischen 20 und 52 Wochen –, doch werden etwa Umschulungen zur Bezugsdauer hinzugerechnet; in Deutschland sorgen derartige Maßnahmen sogar für Abzüge, weil damit ja die Arbeitssuche erleichtert wird. Wer den Zeitrahmen überschreitet, fällt in Österreich ins Notstandssystem – und das ist milder als Hartz IV: Zwar wird auch hier das Gehalt des Partners miteinbezogen, aber man hat Anspruch auf 95 Prozent des Arbeitslosengeldes – und das auch ohne zeitliche Beschränkung, wenn man generell arbeitswillig, arbeitsfähig und verfügbar ist, so Sebastian Paulick vom AMS Wien.
Weniger Befristungen: Ein weiterer Punkt in Schulz’ Agenda-Reform ist, dass zeitlich befristete Arbeitsverträge nur noch bei sachlichen Gründen möglich sein sollen – das heißt, wenn man als Karenzvertretung oder für ein begrenztes Projekt angestellt wird. Derzeit sind Fristen in Verträgen in jeglicher Form zulässig, auch sogenannte Kettenverträge sind im Ausmaß von bis zu zwei Jahren möglich – in Österreich ist das schwieriger: Hierzulande dürfen aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge nur dann abgeschlossen werden, wenn es eine sachliche Rechtfertigung dafür gibt – oder wenn sie im Interesse des Arbeitnehmers liegen.
Besserer Kündigungsschutz: Generell ist der Kündigungsschutz in Deutschland strikt, er wurde allerdings im Zuge der Schröder-Reformen aufgeweicht. Hier will Schulz nun nachbessern, wenn auch nur im Detail: So sollen Personen, die Betriebsratswahlen organisieren, noch besser geschützt werden – derzeit ist man als Wahlvorstand sechs Monate nach Ergebnis-Bekanntgabe geschützt. Österreich ist da weniger streng: Der Wahlvorstand genießt den Sonderstatus nur bis einen Monat nach der Wahl – und auch nach Auslaufen des Betriebsrats-Mandats ist man schlechter geschützt: In Österreich bleibt man noch drei Monate unkündbar, in Deutschland ein Jahr.
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