Forscher-Front gegen falsche Fakten

In mehr als 500 Städten machen Forscher Front gegen falsche Fakten.
Wissenschaftler und besorgte Bürger gehen heute weltweit auf die Straße – in den USA mit gemischten Gefühlen.

Sie verlassen ihre Labore, tauschen Mikroskop gegen Megafon und gehen auf die Straße – für Anerkennung und Freiheit der Wissenschaft. Denn diese wird in den Augen vieler Forscher derzeit beschnitten. Nicht nur in den USA, auch in Europa. Die Idee zum "March of Science", der heute auch in Wien stattfindet, entstand vor vielen Monaten im Netz. Nach Trumps Amtsübernahme brach in der Forscher-Community Aufregung aus: der Präsident sicherte Impfskeptikern Unterstützung zu, Infoseiten zum Klimawandel wurden verbannt, Mitarbeiter der Umweltbehörde EPA bekamen einen Maulkorb.

Forscher-Front gegen falsche Fakten
cathrine McKenzie, laura silverstein, forscherinnen im gespräch zu march for science
Davon bekommt auch Laura Silverstein einiges mit. Die Mathematikerin aus Chicago ist zwar derzeit Forschungsassistentin an der TU Wien, hat aber Bekannte, die bei der EPA arbeiten. Sie können nur mehr eingeschränkt publizieren, berichtet die 34-Jährige. Nicht nur deshalb wird sie heute in Wien protestieren: "Es geht auch darum, Solidarität mit Wissenschaftlern in Ländern wie der Türkei oder Ungarn zu zeigen." Erst kürzlich war sie an einer Konferenz an der Central European University in Budapest, die nun von der Schließung durch die Orbán-Regierung bedroht ist.

Auch Catherine McKenzie, Neurowissenschaftlerin und PhD-Studentin am "Institute of Science and Technology Austria", ist darüber besorgt. Selbstverständlich will sie heute für mehr Respekt und Wertschätzung gegenüber sorgfältig belegter Forschung protestieren – dass ihr Nachbar, daheim in Burlington/Vermont, Ex-Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders war, habe damit aber nichts zu tun, sagt die 36-Jährige scherzhaft. "Es ist wichtig, jetzt ein Zeichen zu setzen, bevor es zu spät ist."

Zweifel am Protest in den USA

Doch nicht alle Forscher sind bereit, zu demonstrieren. Vor allem in den USA gibt es Skeptiker und Zweifler. Physiker Michael Lubell vom City College of New York schrieb etwa im Fachjournal Science: "Wissenschaftler werden als Elite betrachtet, und vielleicht sogar als Teil des Establishments, gegen das im November so viele gewählt haben." Geologe Robert Young schlägt in der New York Times vor: Es sei besser, in Kirchen, Schulen und lokale Einrichtungen zu gehen, mit Menschen zu reden und Vorurteile abzubauen.

Eine "Brücke bauen" und die Menschen mehr involvieren – das finden die US-Forscherinnen in Wien ebenfalls wichtig. In ihrer Heimat wird dies schwierig, dort ist die Kluft zwischen Wissenschaft und Gesellschaft enorm, bestätigen sie. Das zeigte 2015 eine Studie des Pew-Research-Center: Demnach sehen 87 Prozent der Wissenschaftler den Klimawandel vom Menschen und von Industrie-Abgasen verursacht. In der Bevölkerung sind davon nur 50 Prozent überzeugt. Zudem seien meinen viele, Wissenschaft bringe eher mehr Schwierigkeiten als Lösungen.

McKenzie ortet in den USA weniger Respekt und Verständnis für Intellektuelle – das habe in Europa eine viel längere Tradition. Silverstein sieht das Problem in der Geografie, die ärmere Mittelschicht lebt oft fernab der geistigen Zentren. Vor allem aber beeinflussen Unternehmen die Politik wesentlich stärker als in Europa: "Sie haben eine größere Lobby als die Wissenschaft." Ein Marsch alleine wird dagegen nicht ankommen, doch hoffen die Forscherinnen, dass seine Impulse noch länger spürbar sind.

Info

Treffpunkt in Wien ist am Samstag, 22. April 2017, um 13.00 Uhr der Sigmund-Freud-Park zwischen Votivkirche und Universität Wien.

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