Frankreich: Macrons sehr gemischte Bilanz macht Wahl zur Zitterpartie
Der französische Präsidenten wird von rechts massiv herausgefordert. Was er in seiner ersten Amtszeit schaffte, und woran er scheiterte.
10.04.22, 06:50
Simone Weiler, Paris
Diese fünf Jahre im Amt würden keine einfachen werden, das wusste Emmanuel Macron. Und das sagte er auch genau so bei seiner Ansprache am Abend des 7. Mai 2017 vor dem Louvre in Paris. Gerade war der damals 39-Jährige zum französischen Präsidenten gewählt worden. „Die Aufgabe wird schwer sein“, so Macron. Aber er versprach: „Ich werde die Menschen zusammenführen und versöhnen, denn ich will die Einheit unseres Volks und unseres Landes.“
Hätte er sich die Herausforderungen vorstellen können, denen er in der Folge gegenüberstehen sollte? Heftige Proteste der „Gelbwesten“ und monatelange Streiks gegen seine Reformpläne, die Corona-Pandemie und zuletzt noch der Krieg in der Ukraine – Macrons Amtszeit war von heftigen Erschütterungen geprägt.
Daneben ging fast unter, dass er sein Hauptversprechen eingehalten hat – die Senkung der Arbeitslosigkeit: Mit 7,3 Prozent hat sie einen Tiefstand seit 15 Jahren erreicht. Seine Reformen brachten den Arbeitsmarkt in Schwung, und das Land wurde attraktiver für Investoren. Mehr als 700.000 Ausbildungsplätze entstanden – eine kleine Revolution in Frankreich, wo die Berufsausbildung einen schlechten Stand hat.
Hohe Staatsschulden
Insgesamt verbesserte sich die wirtschaftliche Lage trotz des zeitweisen Einbruchs durch die Pandemie. Deren Folgen federte die Regierung ab, indem sie ein großzügiges Kurzarbeitsgeld auflegte und mehrere milliardenschwere Hilfspakete für besonders betroffene Branchen wie der Automobil- oder der Flugzeugindustrie, aber auch für bedürftige Familien und Künstler schnürte. Vom Ziel, die Staatsschulden deutlich zu senken, ging Macron dafür ab. Zuletzt lagen das Defizit bei 6,5 Prozent und die öffentlichen Schulden bei 113 Prozent der Wirtschaftsleistung.
„Präsident der Reichen“
Dass die EU auf eine deutsch-französische Initiative hin für die Finanzierung des Aufbaufonds erstmals gemeinsame Schulden aufnahm, gilt als Macrons größter außenpolitische Erfolg. Bis dahin war er mit seinen Visionen wie jener eines Umbaus der Eurozone auf wenig Enthusiasmus der Partner gestoßen. Seine Landsleute bewerten seinen diplomatischen Aktivismus aber positiv. Seit Beginn des Ukraine-Krieges stiegen Macrons Umfragewerte um mehrere Punkte auf derzeit rund 28 Prozent.
Seinen Ruf, ein „Präsident der Reichen“ zu sein, wurde er hingegen nicht los. Zu seinen ersten Handlungen gehörte die Abschaffung der Vermögenssteuer außer auf Immobilien, gleichzeitig wurde die Wohnbeihilfe für die Ärmsten um monatlich fünf Euro gekürzt. Andere Maßnahmen für mehr Kaufkraft der Mittelschicht wie die weitgehende Befreiung der Bürger von der Wohnsteuer machten den Image-Schaden nicht wieder gut.
Misslungen ist dem ehrgeizigen Präsidenten auch das Projekt einer Rentenreform. Der Versuch, die 42 Rentensysteme in ein einheitliches System zu überführen und die Lebensarbeitszeit zu verlängern, provozierte heftigen Widerstand der Gewerkschaften und erboster Demonstranten. Kurz vor dem Durchbruch der Reform begann die Pandemie, Macron legte das Gesetz auf Eis. Nun hat er angekündigt, das Rentenalter von 62 auf 65 zu erhöhen.
Gescheitert ist er zudem mit seinem Versprechen, die Menschen zu einen und mit der Politik zu versöhnen. Voller Ungeduld überging er das Parlament, indem er Vorhaben teils ohne lange Debatten mit Dekreten durchsetzte. Das französische System sieht ohnehin eine große Machtkonzentration im Präsidentenamt vor – Macron hat das noch verstärkt mit seiner Tendenz, Entscheidungen alleine oder im engsten Kreis zu treffen.
So richteten sich die Proteste der „Gelbwesten“ nicht nur gegen höhere Sprit-Steuern, sondern auch gegen Macron als Vertreter einer abgehobenen Elite. Aussage wie, in Bahnhöfen treffe man „Menschen, die Erfolg haben, und Menschen, die nichts sind“, empörten viele.
Die traditionellen Volksparteien hat Macron dauerhaft geschwächt, indem er deren Personal und viele Positionen übernahm, doch die Rechtsextremen sind in Frankreich so erfolgreich wie nie. Mit deren Galionsfigur, Marine Le Pen, wird sich Macron bei der Stichwahl in zwei Wochen ein Duell um die Macht liefern.
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