Macron will gesamte EU umkrempeln
Eine Rede an Europa, an die Zukunft inmitten einer gestärkten, vertieften und robusten EU sollte es werden – so waren es vor allem Studenten aus allen EU-Staaten, die am Donnerstagnachmittag im prächtigen Amphitheater der Universität Sorbonne Platz nahmen und den visionären Ausführungen von Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron folgen durften. Leidenschaftlich, manchmal fast donnernd zeichnete der junge Staatschef einen großen Bogen – von einer gemeinsamen Verteidigungspolitik bis hin zur Reform der Währungsunion. Alles mit derselben Stoßrichtung: Die EU auf eine gewisse Weise "neu gründen", sie auf allen Ebenen wirksamer machen und stärken.
Auch das "Europa der Verteidigung", für das sich der Präsident stark macht, geistert seit Jahren durch die Köpfe der EU-Strategen. Eine gemeinsame, europäische Interventionstruppe will er entstehen sehen, ebenso ein europäisches Verteidigungsbudget. Völlig neu hingegen ist ein Vorschlag: Die nationalen Armeen der Mitgliedsstaaten sollen freiwillig Soldaten aus anderen EU-Ländern aufnehmen – Frankreich werde mit dieser Initiative vorangehen, versprach Macron.
"Migration ist keine Krise, sie ist eine Herausforderung"
"Europa, das ist eine Idee. Und man sollte nicht glauben , dass wir uns in unserer Gewohnheit und in unserer Selbstverständlichkeit darauf ausruhen können", rief er immer wieder auf, die "Maschine EU neu anzuwerfen". Brüssel, das sei nicht das Bürokratiemonster, "Brüssel, das sind wir, jeden Moment!" Das Europa der nahen Zukunft, das der Franzose in seinem Sinn gestalten will, soll seine gemeinsame Sicherheit ebenso ausbauen wie die Frage der Migration in Zukunft besser kollektiv meistern. "Die Migration ist keine Krise", so Macron, "sie ist eine langfristige Herausforderung". Anzugehen mit einem effizienterem Asylsystem, mehr Rückführungen illegaler Immigranten, einer gemeinsamen europäischen Grenzpolizei und einer noch zu gründenden europäischen Asylagentur.
Für ein gemeinsames EU-Budget
Macrons Tour d’horizon quer durch eine künftige gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik können die meisten EU-Staaten wohl mehrheitlich folgen. Mehr Widerstand aber hat der begeisterte Pro-Europäer bei seinen Plänen zur Reform der Währungsunion zu erwarten. Ein gemeinsames EU-Budget will er, wie er sagt, "um die Unterschiede auszugleichen" zwischen den strukturschwachen und starken Staaten der EU.
Bei all seinen Plänen, betonte Macron, stehe es allen Ländern offen, mitzuziehen. Niemand solle in eine EU nach Macrons Vorstellungen gezwungen werden – das heißt aber de facto ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten.
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