Macron will die Sprit-Revolte wegloben
Es war zwar eine brillante Bestandsaufnahme der Ursachen der Verbitterung, die seit elf Tagen die Bewegung der sogenannten „Gelbwesten“ antreibt, aber Emmanuel Macron lieferte bei seiner ersten ausführlichen diesbezüglichen Rede am Dienstag kaum Lösungsvorschläge, um die Unruhen zu stoppen.
In seiner über einstündigen Ansprache, die ursprünglich für die Präsentation des staatlichen Plans zur „ökologischen Umwandlung Frankreichs“ angesetzt war, zeigte sich der französische Staatschef gegenüber den Autofahrern mitfühlend, die gegen die teilweise ökologisch begründeten Gebühren auf Treibstoff revoltieren. Er gab sich auch selbstkritisch und stellenweise sogar zerknirscht. „Ich verstehe und teile die Ungeduld und Ängste (bezüglich der erhöhten Lebenshaltungskosten), die viele unserer Mitbürger zuletzt geäußert haben“, erklärte Macron. Die Proteste dürften „nicht verteufelt“ werden: „Ich verwechsle nicht die Bewegung, die Ausdruck eines tiefen Unwohlseins ist, mit den Zerstörern“, meinte der Staatschef in Anspielung auf die Verwüstungen, zu denen es beim Aufmarsch tausender Demonstranten am vergangenen Wochenende auf der Pariser Prachtavenue „Champs-Elysées“ gekommen war.
Deutliches Zurückrudern
Das ist insofern bemerkenswert, als Macron und – in expliziterer Weise – Regierungskreise zuerst versucht hatten, die „ Gelbwesten“ als eine von Rechts- und Linksradikalen Kräften „manipulierte“ Bewegung abzutun und in historisch überzogenen Vergleichen in die Nähe faschistischer Strömungen der Zwischenkriegszeit gerückt hatten.
Da gab es jetzt ein deutliches Zurückrudern, nachdem offensichtlich wurde, dass sich zwar ein paar hundert Extremisten unter die Demonstranten gemischt hatten, dass aber die per „ Facebook“ spontan entstandene Bewegung bisher allen Vereinnahmungsversuchen weitgehend widerstand und sich aus einer echten Notlage sowie dem Mangel an Gehör auf staatlicher Seite nährte – ohne viel politisches Dazutun.
„Verhinderte Leben“
Das gestand jetzt auch Macron: „Es gibt verhinderte Leben, also derjenigen, die täglich hart arbeiten und trotzdem nicht genug verdienen, um gut zu leben“. Es ginge nicht an, dass diese Menschen für den ökologischen Umbau „mehr zahlen müssten als die Reichen“, und es zu einer „Verschärfung der Ungleichheit zwischen Regionen“ komme. Macron bestätigte damit, dass die Erhöhung der Gebühren auf Spritpreise das Einkommen von Niedrigverdienern in Speckgürteln und in wirtschaftlich abgehängten Provinzgebieten vorrangig trifft, dort wo es auch kaum öffentliche Verkehrsalternativen zum Auto gibt.
Seine Regierung habe zwar soziale Begleitmaßnahmen für den ökologischen Umbau beschlossen, diese wären aber „bisher zu abstrakt geblieben“, konzedierte Macron: „Wir bieten Prämien für den Kauf neuer sauberer Autos, aber die Leute haben am Monatsende gerade noch zwanzig Euro zur Verfügung. Wir bieten einen Energie-Scheck (eine Subvention für energiesparende Umbauten), aber die Leute wissen nicht, was das ist, und ehrlich gesagt, ich weiß es auch nicht“.
Als vorerst einzige konkrete Abhilfe bot Macron aber nur das Versprechen, die für ersten Jänner 2019 geplante so genannte „Carbon-Gebühr“ auf Treibstoff werde sich als „Floating-Steuer“ dem Ölpreis gewissermaßen gegensteuern: also sinken, wenn der Ölpreis steigt, um so die Endverbraucher zu entlasten. Diese Öko-Abgabe ist aber nur ein sehr geringer Teil der insgesamt hohen Gebühren auf Treibstoff. Für die Gelbwesten, die gegen eine ganze Serie von Abgaben Sturm laufen, ist das daher zu wenig.
Drei monatige Verhandlungen
Allerdings schließt Macron weitere Zugeständnisse nicht aus, diese würden aber erst im Verlauf dreimonatiger Verhandlungen auf Regionalebene zustande kommen können. Eine Delegation der „Gelbwesten“ soll auch erstmals von einem Regierungsmitglied empfangen werden. Dass dafür der wenig einflussreiche Umweltminister ausersehen ist, verstört die meisten „Gelbwesten“. Für Macron hat das allerdings den Vorteil, die Debatte zu einer reinen Auseinandersetzung um Ökologie zu stilisieren und nebenher die Verworrenheit der „Gelbwesten“ zu unterstreichen: diese lose Bewegung verfügt über keine gewählten Sprecher, der Streit um etwaige Unterhändler ist vorprogrammiert. Am wahrscheinlichsten ist, dass die Straßen-Blockaden und sonstigen Protestaktionen der „Gelbwesten“ weiter anhalten und auf einem neuen Höhepunkt am kommenden Wochenende zu steuern.
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