Macron, eine Kombination aus König und Manager
Eine gelungene Geburtstagsfeier sieht anders aus: Ein Jahr nach dem Wahlsieg von Emmanuel Macron kämpft Europas jüngster Staatschef an der Heimatfront mit etlichen Widrigkeiten. Das mag im Ausland erstaunen, nachdem der französische Strahlemann auf der internationalen Bühne mit immer neuen, überraschenden Schachzügen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin brillierte und dabei Angela Merkel und Theresa May in den Schatten stellte.
Aber in Frankreich rumort es: Der verheerende Eisenbahnerstreik (an jeweils zwei von fünf Tagen) tritt in seine sechste Woche. Bei der Luftlinie Air France sind heute, Montag, und morgen zum 15. Mal seit Anfang April, wieder Ausstände für Gehaltserhöhungen angesagt. Die Streiks schwächeln, aber am Freitag hatten bei einer Abstimmung über 55 Prozent der Air France-Dienstnehmer einen Vorschlag der Direktion verworfen. Der Abstimmungs-Initiator, Generaldirektor Jean-Marc Janaillac, nimmt den Hut.
Für Macron ist das ein schlechtes Zeichen. Janaillac hatte zwar die Luftlinie wieder auf Gewinnkurs getrimmt, dabei aber die Gewerkschaften umgangen und sich selber eine saftige Erhöhung gewährt.
Verkrustete Strukturen aufbrechen
Das ist im Grunde genommen auch Macrons Rezept: Gewerkschaften und andere zwischengeschaltete Körperschaften in rasendem Tempo und mit einem Feuerwerk an neuen Maßnahmen überrennen, um verkrustete, wirtschaftshemmende Strukturen aufzubrechen. Und dabei den wohlhabendsten Einkommensgruppen und Investoren in einer für Frankreich ungewohnten Manier steuerlich entgegenkommen.
So ließ Macron das Arbeitsrecht lockern. Die Vermögenssteuer wurde weitgehend abgeschafft, die Körperschaftssteuer von 33 auf 25 Prozent gestutzt. Nun soll auch eine Gewinn-Besteuerung, die Unternehmer bei Verlassen Frankreichs zu entrichten haben, fallen.
„Präsident der Reichen“
Letzteres empört nicht nur die Linksopposition. Auch der Chef der konservativen „Republikaner“ (die Schwesterpartei der ÖVP), Laurent Wauquiez, schäumte: „Das ist ungerecht. 42 Prozent der Steuergeschenke gehen an die fünf Prozent Reichsten“. Davon ist eine Mehrheit der Franzosen sowieso überzeugt: Laut Umfragen halten über 70 Prozent Macron für den „Präsident der Reichen“ und seine Reformen für „sozial ungerecht“. Der sozialistische Ex-Präsident François Hollande legte nach: „Macron ist nicht der Präsident der Reichen.“ Pause. „Er ist der Präsident der Superreichen.“
Kein Zaudern und Lavieren mehr
Solche Anwürfe entlocken Macron höchstens ein Achselzucken. Er hatte unter Hollande als Wirtschaftsminister gedient und dabei Zaudern und Lavieren an der Staatsspitze erlebt. Damals versprach er vor Vertrauten: „Das werde ich alles mit dem Eispickel zertrümmern.“
In seiner Wahlkampagne hatte er auch kein Hehl daraus gemacht, das französische Sozialgefüge radikal umrüsten zu wollen. Noch klarer hervorgetreten ist inzwischen, wie sehr Macron auf streng hierarchische Gangart setzt: Er tritt in die Fußstapfen von General De Gaulle, der das Parlament sowie die Parteien eher gering schätzte. Auch Macron hält die herkömmlichen Parteien und Gewerkschaften für ziemlich leere Hülsen. Darüber hinaus knüpft Macron symbolisch an monarchische Traditionen an. In Le Monde diagnostizierte der Politologe Jerome Sainte-Marie eine Kombination zwischen gebieterischen „Manager- und Monarchen-Stil“.
Kompetent, entschlossen, dynamisch
Das imponiert und schreckt zugleich, wie Umfragen zeigen. Eine sehr breite Mehrheit hält Macron für kompetent, entschlossen, dynamisch. Dass erstmals seit langem ein Präsident „das umsetzt, was er angekündigt hat“ wird ihm hoch angerechnet. Trotzdem haben nur 45 bis 48 Prozent ein „gute Meinung“ über Macron – immerhin mehr als bei seinen Vorgängern im Vergleichszeitraum. Aber 59 Prozent würden seine Wiederwahl ablehnen. Solche Ungereimtheiten scheinen Macron nichts anzuhaben, hatte er sie doch vorausgesehen, als er meinte: „Die Franzosen sind mieselsüchtig aber zu großem fähig.“
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