Janukowitsch soll vor Internationalen Strafgerichtshof

"Wanted" steht auf dem Plakat: Die Fahndung nach Janukowitsch läuft.
Die Fahndung nach dem Ex-Präsidenten läuft - er soll eine blutige Niederschlagung der Proteste geplant haben.

Der gestürzte ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch soll nach dem Willen des Parlaments in Kiew vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gestellt werden. Janukowitsch habe sich schwerer Verbrechen schuldig gemacht, hieß es in einer am Dienstag mit großer Mehrheit verabschiedeten Resolution. Er und andere seien für den Tod von mehr als 100 Menschen aus der Ukraine und anderen Ländern verantwortlich. Von der Parlamentsresolution sind auch Ex-Innenminister Vitali Sachartschenko und Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka betroffen. Der am Samstag gestürzte Janukowitsch wird von den neuen Machthabern wegen Massenmords mit Haftbefehl gesucht. Er befindet sich auf der Flucht.

Janukowitsch plante Großeinsatz gegen Proteste

In einer seiner Residenzen nahe Kiew sollen außerdem Dokumente gefunden worden sein, die belegen, dass Janukowitsch geplant hatte, mit einem Großaufgebot Tausender Sicherheitskräfte die Proteste doch noch niederzuschlagen. Ein Abgeordneter der bisherigen Opposition hat sie ins Internet gestellt. Nach den Plänen sollte der Unabhängigkeitsplatz umstellt werden, Scharfschützen hätten das Feuer auf die Demonstranten eröffnen sollen. Rund 22.000 Polizisten, darunter 2000 Spezialkräfte sollten an der Aktion beteiligt werden.

Suche nach neuem Premier

Nach dem Sturz von Janukowitsch und der Absetzung seiner Regierung wollte das ukrainische Parlament eigentlich heute einen neuen Ministerpräsidenten wählen. Doch die Bildung einer Regierung wurde kurzerhand auf Donnerstag verschoben. Parlamentspräsident Olexander Turtschinow meinte, es seien noch weitere Konsultationen nötig. Angesichts der schwierigen Lage - wirtschaftlich wie politisch - ist es wohl nicht einfach, den Posten zu vergeben. Die Ukraine steht vor dem Staatsbankrott, Russland bezweifelt die Rechtmäßigkeit der aktuellen Führung. Deswegen ist der mächtige Nachbar auch gegen die vorgezogene Präsidentschaftswahl am 25.5., das sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow in Moskau.

Am Donnerstag wollen sich außerdem die Verteidigungsminister der 28 NATO-Staaten in Brüssel mit dem ukrainischen Vize-Verteidigungsminister Alexander Olejnik treffen.

Kandidaten - Premier

Die bisherige Opposition hatte am Wochenende nach monatelangen Protesten die Macht in Kiew übernommen. Als neuer Regierungschef infrage käme etwa der frühere Parlamentspräsident Arseni Jazenjuk, der die Fraktion der Vaterlandspartei von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko führt. Als möglicher Kandidat wird zudem der Unternehmer und frühere Außen-und Wirtschaftsminister Pjotr Poroschenko gehandelt.

Kandidaten - Präsident

Timoschenko, die zur Behandlung ihres Rückenleidens nach Deutschland reisen will, möchte zur Präsidentschaftswahl antreten. Auch Boxweltmeister Wladimir Klitschko hat seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl erklärt. Er werde bei dem Urnengang am 25. Mai antreten, sagte Klitschko am Dienstag. Der 42-Jährige Chef der Udar-Partei war eine der führenden Persönlichkeiten der Protestbewegung.

Die wichtigsten Kandidaten:

Janukowitsch soll vor Internationalen Strafgerichtshof

Ukrainian opposition leader Yulia Tymoshenko addre
Janukowitsch soll vor Internationalen Strafgerichtshof

Ukrainian opposition leader and head of the UDAR p
Janukowitsch soll vor Internationalen Strafgerichtshof

UKRAINE GERMANY WESTERWELLE DIPLOMACY
Janukowitsch soll vor Internationalen Strafgerichtshof

Opposition leader Poroshenko attends an anti-gover
Janukowitsch soll vor Internationalen Strafgerichtshof

Head of the All-Ukrainian Union Svoboda Party Tyag

Russland dagegen

Russland bestritt am Montag die Legitimität der neuen Regierung und warnte vor "diktatorischen" und "terroristischen" Methoden. "Falls sich Leute, die in schwarzen Masken und mit Kalaschnikow-Sturmgewehren durch Kiew schlendern, als Regierung bezeichnen, so wird die Arbeit mit einem solchen Kabinett sehr schwierig sein", sagte der russische Regierungschef Dmitri Medwedew. Das russische Außenministerium warf dem Westen vor, sich in Wahrheit nicht um das Schicksal des Landes zu sorgen, sondern lediglich geostrategische Interessen zu verfolgen.

Diesen Vorwurf bekräftigte am Dienstag nochmal der russische Außenminister Lawrow: "Es ist gefährlich und kontraproduktiv zu versuchen, die Ukraine zu einer Entscheidung zu zwingen nach dem Motto: Entweder bis du für uns oder gegen uns."

Polens Vorschlag

Polens Außenminister Radoslaw Sikorski hat vorgeschlagen, das Budgetloch der Ukraine auch mit Vermögen des für abgesetzt erklärten Präsidenten, anderer Politiker der bisherigen Regierung und ihr nahestehender Oligarchen zu stopfen. Die betroffenen Personen müssten nachweisen, dass sie ihr Eigentum rechtmäßig erworben hätten, erklärte Sikorski am Dienstag im Polnischen Rundfunk. Geschehe dies nicht, sollte es in den Besitz des Staates übergehen, so der polnische Außenminister weiter. Als potenzielle Beispiele für eine Enteignung und Verstaatlichung nannte Sikorski die prächtigen Residenzen von Janukowitsch, anderer Politiker und Oligarchen. Diese seien wahrscheinlich mit Schmiergeldern und veruntreuten Geldern finanziert worden.

Reaktionen

Bundespräsident Heinz Fischer bezeichnete die derzeitige Situation als "unübersichtlich". "Ich fürchte, dass die Ukraine eine schwierige Phase vor sich hat", so Fischer in einem Interview mit der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti am Montag. Die Ukraine solle zudem keine Spannungszone zwischen Europa und Russland sein, so Fischer weiter. Er erklärte sich als Gegner der "Anwendung von Gewalt bei innenpolitischen Konflikten". Dies gelte für alle Seiten.

Wenn es um die Unterstützung der Ukraine geht, werde Österreich eine aktive Rolle innerhalb der EU spielen, sagte am Dienstag Bundeskanzler Werner Faymann. "Die EU trägt eine gewisse politische Verantwortung in dieser Region". Er verwies auch darauf, dass es sich um eine Region handle, die "viel politisches Feingefühl" erfordere. "Man kann nicht sagen, dort wo die Europäische Union aufhört, hört unser Interesse auf. Im Gegenteil", stellte der Bundeskanzler fest.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat indes an die Ukrainer appelliert, sich für den Zusammenhalt des Landes stark zu machen und eine Spaltung zwischen Ost und West zu verhindern. Die Institutionen des Landes müssten funktionieren und zusammenarbeiten, sagte Ashton am Dienstag in Kiew. Die neue Regierung dürfe niemanden ausschließen.

Auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die Ukraine auf, für neuen Zusammenhalt im Land zu sorgen. Das Auswärtige Amt in Berlin plädiert nach dem Machtwechsel in Kiew dafür, mögliche Finanzhilfen für die Ukraine an strikte Bedingungen zu knüpfen.

Ukraine braucht Milliarden

Die wirtschaftlich schwer angeschlagene Ukraine benötigt nach eigenen Angaben 35 Milliarden US-Dollar (25,5 Milliarden Euro) Finanzhilfen. Die frühere Sowjetrepublik habe eine internationale Geberkonferenz unter Beteiligung der EU, der USA und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgeschlagen, sagte der kommissarische Finanzminister Juri Kolobow. "Wir haben unseren internationalen Partnern vorgeschlagen, uns innerhalb der nächsten ein bis zwei Wochen Kredite zu gewähren", sagte Kolobow.

IWF-Chefin Christine Lagarde hatte angekündigt, ihre Organisation stehe für Unterstützung bereit - im Gegenzug für Wirtschaftsreformen. Russland hingegen hat angekündigte Milliardenkredite angesichts der revolutionären Umbrüche im Nachbarland zunächst auf Eis gelegt.

Als Mitglied der – mittlerweile fliehenden – ukrainischen Staatselite lebte es sich bis Freitag offenbar bestens: Einer von ihnen ist Ex-Generalstaatsanwalt Viktor Pschonka, dessen Prachtvilla vor Luxus, Ikonen, Madonnengemälden, Kitsch und superteurem Schnick-Schnack nur so strotzt. Am Samstag setzte sich Pschonka in die Ostukraine ab, seine Leibwächter schossen ihm den Weg frei. Die Villa jenes Mannes, der auch für den Schießbefehl auf die Demonstranten verantwortlich ist, steht nun leer.

Janukowitsch soll vor Internationalen Strafgerichtshof

Pschonka Villa…
Janukowitsch soll vor Internationalen Strafgerichtshof

Pschonka Villa…
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Pschonka Villa…
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Pschonka Villa…

Nachdem am Freitag Regierung und Opposition eine Vereinbarung unterschrieben hatten und das regierungsfeindliche Lager weiter den Rücktritt Viktor Janukowitschs forderte, blieb dem Noch-Präsidenten nicht mehr viel Zeit. Hals über Kopf floh er mit seinem Vertrauten Andrej Kljujew, dem Chef des Präsidialamtes, aus der Hauptstadt. Kljujew ist als Unternehmer, gemeinsam mit seinem Bruder Sergej, auch in Wien sehr umtriebig. Aus seinem Anwesen bei Kiew, "Meschiguirja", konnte er nicht viel mitnehmen – was die Scharen an Regierungsgegnern freute, die seit dem Wochenende zu dem Anwesen pilgern.

Mit zwei Hubschraubern flogen Janukowitsch und Entourage – und angeblich 650 Millionen Dollar – am Freitagabend nach Charkiw in die Ostukraine. Die Verfolger im Nacken ging es am Samstag gleich weiter zum Flughafen seiner Geburtsstadt Donezk, wo zwei Privatjets bereitstanden. Doch der Grenzschutz ließ den mittlerweile abgesetzten Staatschef nicht abreisen – es fehlten angeblich notwendige Dokumente. Das sagte der Sprecher des Grenzschutzes, Sergej Astachow, zur Agentur Interfax.

Stattdessen ging es mit einer gepanzerten Limousine weiter – zur Staatsresidenz von Donezk. Nach ein paar Stunden fuhr der Konvoi mit Janukowitsch und Kljujew über Nacht auf die Halbinsel Krim, wo er am Sonntag ankam. Seither verzichtet er, in staatlichen Unterkünften Zuflucht zu suchen.

Als er erfuhr, dass ihm Innenministerium und Geheimdienst auf den Fersen sind, startete er in Richtung internationalem Flughafen Sewastopol. Doch die Fahrt musste er abbrechen. Er fuhr stattdessen zu seiner Privatresidenz bei Balaklawa.

Handys abgedreht

Dort stellte er seinen Leibwächtern frei, ihn zu verlassen. Eine Handvoll Secret-Service-Beamte blieben dem Ex-Präsidenten dennoch weiter treu. Die Wachen, Andrej Kljujew und Janukowitsch stiegen daraufhin in drei Autos ein. Sie ließen alle mobilen Geräte zurück oder drehten sie ab. Dann verloren die Beamten des Innenministeriums vorläufig die Spur Janukowitschs. Gerüchten zufolge soll er in einem Bunker sein. Er könnte demnach russische Helfer haben, angeblich Marinesoldaten.

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