Luigi Mangione: Warum viele Amerikaner den "CEO-Killer" als Helden feiern

Luigi Mangione: Warum viele Amerikaner den "CEO-Killer" als Helden feiern
Chronische Rückenschmerzen dürften ein Motiv des 26-Jährigen gewesen sein. In einem Manifest bekannte er sich zum Mord an Versicherungschef Brian Thompson in Manhattan.

Wer es letztlich war, der Luigi Mangione an der McDonalds-Kasse erkannt hatte, blieb unklar. Laut Joseph Kenny, dem Polizeichef von Altoona/Pennsylvania, war es der Kassierer selbst, laut einem FBI-Sprecher sei es ein „Stammgast“ gewesen. 

Beide waren sich jedoch einig: Dass die Person anhand eines einzigen Fahndungsfotos den mutmaßlichen „CEO-Killer“ erkannte, grenzt an ein Wunder. Schließlich hatte der 26-Jährige das fast perfekte Verbrechen begangen:

Das fast perfekte Verbrechen

Ausgestattet mit einem gefälschten Ausweis sowie einer Waffe und einem Schalldämpfer aus dem 3D-Drucker reist er schon am 24. November per Bus nach New York. Täglich fährt er zum Hilton-Hotel in Manhattan, wo Brian Thompson, Chef von UnitedHealthcare, der größten privaten Gesundheitsversicherung Amerikas, am 4. Dezember bei einer Investorenkonferenz erwartet wird.

Als Thompson an jenem Morgen aus der Limousine steigt, ist Mangione schon da. Seelenruhig schießt er den Millionär nieder, lädt nach, schießt erneut. Dann flüchtet er auf einem gemieteten Elektrofahrrad. Rucksack und Tatwaffe entsorgt er im Central Park, bevor er in ein Taxi steigt und New York nur 50 Minuten später verlässt, erneut via Bus.

In den zwei Wochen, die sich Mangione in der Stadt aufhält, achtet er penibel darauf, sein Gesicht zu verdecken, trägt stets Maske oder einen dicken Schal. Nur ein einziges Mal erwischt ihn die Kamera, als er beim Einchecken in ein New Yorker Hostel seine Maske abnehmen muss. 

Luigi Mangione: Warum viele Amerikaner den "CEO-Killer" als Helden feiern

Dieses Foto von der New Yorker Polizei (NYPD) veröffentlichte Foto von Luigi Mangione führte letztlich zu dessen Verhaftung.

Die Polizei veröffentlicht das Foto des lächelnden, auffallend attraktiven jungen Mannes und bittet um Hinweise. Es verbreitet sich im Internet wie ein Lauffeuer - und führt wohl sechs Tage später zu seiner Verhaftung.

Pistole und handgeschriebenes Manifest im Rucksack

Rechtlich gilt für Mangione, wie für jeden anderen Tatverdächtigen, die Unschuldsvermutung. Doch der 26-Jährige hatte in der McDonalds-Filiale nicht nur eine in einem 3D-Drucker hergestellte Pistole und einen Schalldämpfer dabei, wie sie schon am Tatort gefunden worden war, sondern auch ein handgeschriebenes Manifest. 

Darin rechnete er mit dem US-Gesundheitssystem ab und bekannte sich zur Tat: "Diese Parasiten verdienen es nicht anders."

Was über den Täter bekannt ist

Der Fall ist so aufsehenerregend, weil Luigi Mangione ein unkonventioneller Täter ist. Er stammt aus einer reichen italo-amerikanischen Unternehmerfamilie, galt als mathematisches Wunderkind und war schon in der Abschlussklasse seiner High School Jahrgangsbester. 

Nach einem Maschinenbau-Masterstudium an der Ivy-League-Universität Pennsylvania war Mangion bis zuletzt an der Stanford-Universität als wissenschaftlicher Mitarbeiter angestellt. Dabei arbeitete er offenbar aus der Ferne und lebte bis zuletzt auf Hawaii. Fotos in sozialen Medien zeigen ihn als durchtrainierten, jungen Mann auf dem Strand.

Dann, vor sechs Monaten, tauchte er plötzlich ab.

Der Grund dafür dürfte auch das Motiv für den Mord gewesen sein: Mangione litt unter chronischen Rückenschmerzen, wie sein ehemaliger Mitbewohner den New York Times erzählte. Die ursächliche Fehlstellung der Lendenwirbelsäule ließ sich der 26-Jährige offenbar Anfang des Jahres operieren; auf X postete er ein Röntgenbild seines Rückens, in den Schrauben verbohrt wurden.

Luigi Mangione: Warum viele Amerikaner den "CEO-Killer" als Helden feiern

Das X-Profil des mutmaßlichen "CEO-Killers" Luigi Mangione.

Die Schmerzen dürften Mangione radikalisiert haben. Ein Surfversuch, eine längere Wanderung, und er sei wieder eine Woche lang ans Bett gefesselt gewesen, erklärt der Mitbewohner. Mangione habe ihm sogar anvertraut, „dass er nicht mehr intim werden konnte.“

Nach der Operation verlor die Familie Mangione den Kontakt zu ihrem Sohn. Sein einziges Lebenszeichen waren Buch-Rezensionen auf der Webseite Goodreads: Die meisten seiner bewerteten Bücher beschäftigten sich mit dem US-Gesundheitssystem, dazu schrieb Mangione: „Es ist kein Maßstab für Gesundheit, sich in eine zutiefst kranke Gesellschaft einzufügen.“

Warum viele US-Bürger in Mangione einen Helden sehen

Die Reaktionen auf den Mord machten deutlich, wie vielen US-Amerikanern der 26-Jährige aus der Seele sprach. Während der ermordete Thompson eine Witwe und zwei kleine Kinder hinterlässt, wird Mangione online in hunderttausenden Kommentaren als Held gefeiert.

Laut einer Studie des britischen Medizin-Fachmagazins Lancet ist das auf Profit getrimmte Geschäftsgebaren der privaten Gesundheitsversicherungen in den USA jährlich für mehr als 68.000 Tode verantwortlich.

Über ein kompliziertes, verklausuliertes System greifen US-Gesundheitsversicherungen nur dann, wenn Kunden vorab abgestimmte Leistungen bei Ärzten oder Krankenhäusern in Anspruch nehmen, die mit ihrer Versicherung zusammenarbeiten.

In einer weiteren Studie gaben 45 Prozent der befragten US-Bürger an, sich bereits für medizinische Leistungen verschuldet zu haben, von denen sie überzeugt waren, diese würden von ihrer Versicherung gedeckt. UnitedHealthcare ist dabei sogar jener Versicherungsanbeiter mit der höchsten Rate an abgelehnten Zahlungen.

Es ist ein makabrer Treppenwitz, dass der verblutende Brian Thompson in die Notfallambulanz des nahegelegenen Mt. Sinai Hospital eingeliefert wurde. Das Krankenhaus war erst in diesem Jahr von der Liste der Partnerspitäler von UnitedHealthcare gestrichen worden - Thompsons eigene Firma deckte die Behandlung also nicht.

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