"Alles bis auf die Grundmauern zerstört“: Russen erobern Popasna

"Alles bis auf die Grundmauern zerstört“: Russen erobern Popasna
Nach mehreren Tagen ohne nennenswerte Fortschritte erzielt Russland wieder Geländegewinne.

Nach mehreren Tagen ohne nennenswerte Fortschritte haben die russischen Truppen bei ihren Angriffen im Donbass-Gebiet nach ukrainischen Angaben wieder Geländegewinne erzielt.

Nach wochenlangen Kämpfen haben russische Streitkräfte die in Ruinen liegende Kleinstadt Popasna eingenommen. "Kämpfer der tschetschenischen Spezialeinheiten ... haben den größten Teil von Popasna unter Kontrolle gebracht", verlautete Ramsan Kadyrow, Machthabers der russischen Teilrepublik Tschetschenien via Telegram.

Serhij Hajdaj, Gouverneur der Region Luhansk, bestätigte: "Leider haben sich unsere Truppen tatsächlich etwas aus Popasna zurückgezogen, weil die Stadt mehr als zwei Monate lange beschossen wurde.“ Die Ukrainer seien auf zuvor vorbereitete Stellungen etwas außerhalb der Stadt ausgewichen, fügte er hinzu.

In Popasna ist Hajdajs Angaben nach "alles bis auf die Grundmauern zerstört". Erstmals marschierten die russischen Einheiten vor genau zwei Monaten am 8. März in die Stadt ein, die die Ukrainer zuvor zur Festung ausgebaut hatten. Vor Kriegsausbruch sollen in Popasna etwa 20.000 Menschen gelebt haben.

Weitere Gebietsgewinne

"In Richtung Liman hat der Feind durch Angriffe den Nordrand von Schandrigolowe erobert", teilte der ukrainische Generalstab am Sonntag in seinem Lagebericht weiters mit. Schandrigolowe liegt rund 20 Kilometer nördlich der Großstadt Slowjansk, die Teilziel der russischen Operation im Donbass ist.

Darüber hinaus fahren die russischen Truppen auch weiterhin Angriffe Richtung Sjewjerodonezk, Popasna, und Awdijiwka. "In Richtung Kurachowe" versuche "der Feind seine Offensive auf Nowomychajliwka mit Unterstützung der Artillerie wieder aufzunehmen", heißt es zudem.

In Mariupol würden die ukrainischen Einheiten weiterhin im Stahlwerk blockiert. Mit Luft- und Artillerieunterstützung setzen die russischen Truppen dort ihre Sturmversuche fort. 

Insgesamt spricht die ukrainische Militärführung von neun abgewehrten russischen Angriffen. Dabei seien unter anderem ein Hubschrauber vom Typ Mi-28, 19 Panzer und 20 gepanzerte Militärfahrzeuge abgeschossen worden.

Luftalarm ausgelöst

In weiten Teilen der Ukraine ist in der Nacht auf Sonntag Luftalarm ausgelöst worden. Betroffen waren nach Angaben der Agentur Unian die Hauptstadt Kiew und ihr Umland, aber auch Lwiw im Westen, Charkiw und Donezk im Osten, Odessa im Süden und andere Gebiete.

In Odessa waren nach Berichten von vor Ort Explosionen zu hören. Dabei blieb zunächst unklar, ob es sich um russische Raketentreffer handelte oder um Abwehrfeuer der ukrainischen Luftverteidigung.

Auch in der Stadt Mykolajiw im Süden gab es Explosionen. Die Ukraine fürchtet besonders heftige russische Luftangriffe im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Gedenken an den sowjetischen Sieg im Zweiten Weltkrieg.

60 Tote nach Angriff auf Schule

Nach einem russischen Luftangriff auf eine Schule im Gebiet Luhansk sprechen die ukrainischen Behörden von möglicherweise bis zu 60 Toten. Nach einem Luftschlag auf die Schule in Bilogoriwka seien bisher zwei Leichen geborgen worden, teilte der Gouverneur der Region, Serhij Hajdaj, am Sonntag auf seinem Telegram-Kanal mit. "Wahrscheinlich sind alle 60 Menschen, die noch unter den Trümmern des Gebäudes liegen, tot", fügte er hinzu.

Der Luftangriff ereignete sich seinen Angaben nach bereits am Samstagnachmittag. In dem Schulgebäude hatten 90 Personen vor den Angriffen Schutz gesucht. Durch den Bombenabwurf brach ein Feuer in der Schule aus und das Gebäude stürzte zusammen. 30 Menschen konnten die Einsatzkräfte retten - sieben davon waren verletzt, so der Gouverneur.

Bilogoriwka ist eine städtische Siedlung etwa zehn Kilometer westlich von Lyssytschansk. Die Ortschaft ist schwer umkämpft.

CIA-Chef: Putin wird nicht nachlassen

Der russische Präsident Wladimir Putin wird den Krieg in der Ukraine nach Ansicht von CIA-Chef Bill Burns weiter vorantreiben. Putin sei in einer Verfassung, in der er nicht glaube, es sich leisten zu können, zu verlieren, zitierte die Financial Times Burns am Samstag. Der CIA-Chef sprach in Washington auf einer Veranstaltung der Zeitung. Seiner Einschätzung nach ist Putin überzeugt, mit noch mehr Einsatz Fortschritte erzielen zu können.

Besonders umkämpft sind der Osten und Südosten der Ukraine. Viele Menschen blicken mit Spannung auf Putins Rede zur jährlichen Militärparade am 9. Mai in Moskau.

Senate Intelligence Committee holds hearing on William Burns nomination to be CIA director on Capitol Hill in Washington

Atomwaffen

Der CIA-Direktor sagte außerdem, dass die US-Geheimdienste keine praktischen Beweise dafür sähen, dass Russland einen Einsatz taktischer Atomwaffen plane. Dennoch dürfe man diese Möglichkeit nicht auf die leichte Schulter nehmen. Unter taktischen Atomwaffen oder nuklearen Gefechtsfeldwaffen versteht man Kernwaffen, deren Wirkungskreis und Sprengkraft deutlich geringer ist als bei strategischen Atomwaffen, die über einen Kontinent hinaus eingesetzt werden können.

Burns zufolge hat der Krieg in der Ukraine auch Chinas Präsident Xi Jinping verunsichert. Das liege zum einen an dem Reputationsschaden, der China durch die Brutalität der russischen Aggression gegen die Ukrainer entstehen könne, zitierte die Zeitung den CIA-Chef weiter. Andere Punkte seien die wirtschaftliche Unsicherheit, die der Krieg verursacht habe, und das enge Zusammenrücken des Westens. Die chinesische Führung prüfe, welche Lehren sie für Taiwan ziehen sollte, so Burns. Er gehe aber nicht davon aus, dass ihre Entschlossenheit, die Kontrolle über Taiwan zu erlangen, nachgelassen habe. China betrachtet das demokratische Taiwan als eigenes Territorium.

Kommentare