"Hoffen auf Wunder": Asowstal-Kämpfer senden Hilferuf

"Hoffen auf Wunder":  Asowstal-Kämpfer senden Hilferuf
Frauen, Kinder und Ältere konnten aus dem Stahlwerk in Mariupol evakuiert werden.

Nach der Evakuierung der letzten Zivilisten aus dem von russischen Truppen belagerten Stahlwerk Asowstal in der Hafenstadt Mariupol haben die dort verschanzten ukrainischen Kämpfer einen eindringlichen Hilferuf gesendet. Er könne nur noch auf ein Wunder hoffen, schrieb der Kommandant der 36. Marineinfanteriebrigade, Serhij Wolynskyj, am Samstag bei Facebook. "Darauf, dass höhere Kräfte eine Lösung für unsere Rettung finden!"

"Es scheint so, als ob ich in irgendeiner höllischen Reality-Show gelandet bin, in der wir Militärs um unser Leben kämpfen, und die ganze Welt schaut dem interessanten Stück zu!", beklagte der 30-Jährige. Doch: "Schmerz, Leiden, Hunger, Qualen, Tränen, Angst, Tod - alles ist echt!". Dazu postete Wolynskyj ein Foto von sich, auf dem er unrasiert, übernächtigt und mit offenbar verletzter Nase zu sehen ist.

Zuvor waren offiziellen Angaben zufolge die letzten Frauen, Kinder und älteren Menschen aus dem Stahlwerk evakuiert worden. "Dieser Teil der humanitären Operation in Mariupol ist abgeschlossen", schrieb die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk am Samstag im Nachrichtendienst Telegram. Ob unter den verbliebenen Männern noch Zivilisten sind, ließ sie zunächst offen.

"Äußerst schwierig"

Die ukrainische Regierung gab die Hoffnung auf eine Befreiung der Kämpfer nicht auf. Vize-Regierungschefin Wereschtschuk bat die Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) darum, die im Stahlwerk verschanzten Soldaten zu evakuieren und medizinisch zu versorgen, teilte die Regierung in Kiew am Samstagabend mit.

Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte, dass mehr als 300 Zivilisten "in der ersten Phase" der Evakuierungen gerettet worden seien. In der zweiten Phase sollen nun auch die Verwundeten und Sanitäter aus dem Stahlwerk gebracht werden. Man bemühe sich auch darum, die Kämpfer aus dem Gelände zu bringen, "aber das ist äußerst schwierig". Selenskyj hatte mehrmals mit einem kompletten Abbruch der diplomatischen Gespräche mit Russland gedroht, sollte dieses ein Massaker auf dem Gelände anrichten.

Auch die russische Seite sprach am Samstagabend davon, dass die Evakuierung von Zivilisten abgeschlossen sei. Am Samstag sei nur noch ein einziger Mensch übrig gewesen, der nun auch in Sicherheit sei, hieß es aus dem Verteidigungsministerium. Unklar war jedoch, wie viele Zivilisten noch in anderen Teilen der Stadt ausharren.

Angst vor dem 9. Mai

Die jüngste Evakuierungsmission kam mit Hilfe der Vereinten Nationen und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zustande. Russlands Militär hatte dafür seit Donnerstag jeden Tag mehrstündige Feuerpausen in der völlig zerstörten Stadt am Asowschen Meer zugesichert. Die letzte sollte am Samstagabend enden.

Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am 21. April den Sieg seiner Armee über Mariupol erklärt und eine Abriegelung des von ukrainischen Kämpfern gehaltenen Asowstal-Geländes erklärt. Die Verteidiger hatten es abgelehnt, sich zu ergeben. In der Ukraine wird befürchtet, die russischen Streitkräfte könnten bis zum Montag zu einem Vernichtungsschlag gegen sie ausholen, um Putin pünktlich zum Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg einen militärischen Erfolg zu verkünden. Der 9. Mai wird seit Sowjetzeiten in Moskau mit einer großen Militärparade begangen.

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