Fake News lösen Gewaltwelle in Pariser Vorstädten gegen Roma aus

Roma sind zum Ziel einer Verleumdungskampagne geworden.
Vorstädter aus Migrantenfamilien halten Roma aus Osteuropa für „Kinderdiebe“ und begeben sich auf Lynchjagd.  

Falschmeldungen über Kindesentführungen, die per Facebook und WhatsApp kolportiert wurden, haben in Teilen des Pariser Vororte-Gürtels eine Menschenjagd ausgelöst, die sich gegen Roma-Einwanderer aus Osteuropa richtet.

Obwohl Polizei und Lokalpolitiker alle diesbezüglichen Behauptungen mit Nachdruck dementierten, verübten Jugendbanden aus Sozialbauten brachiale Attacken auf Hüttensiedlungen, die Roma stellenweise auf Industriebrachen und Verkehrsinseln zwischen Autobahnen errichtet haben. Siedlungs-Insassen wurden mit Eisenstangen traktiert, ihre windschiefen Behausungen verwüstet und ihre alten Fahrzeuge angezündet. Die Angreifer stammen überwiegend aus franko-arabischen und franko-afrikanischen Familien. Rechte Politkräfte spielen dabei überhaupt keine Rolle. 

In der Trabantenstadt Clichy-sous-Bois flüchteten Roma in Panik auf einen Parkplatz, von wo sie von der Polizei sicherheitshalber in die Pariser Innenstadt gebracht wurden. Eine Frau erzählte, die Angreifer hätten gerufen: „Ihr seid Kinderdiebe, wir bringen Euch alle um“. Ein Mann sagte: „Ich trau mich weder zum Bäcker noch in die Arbeit, weil die Leute mich als Rumänen erkennen“ (Anm.: Roma aus ganz Osteuropa werden umgangssprachlich in Frankreich als „Rumänen“ bezeichnet).

„Rumänisches“ Aussehen

Tatsächlich wurden Leute auf der Straße verprügelt, weil sie wegen ihres Aussehens für Roma gehalten wurden. Bei dem ersten diesbezüglichen Vorfall, wurden zwei Männer aus einem weißen Lieferwagen gezerrt und schwer misshandelt – die Angreifer stellten einen Videofilm mit ihrer Schandtat ins Netz, was wiederum die Gerüchtewelle über Kindesentführungen verstärkte.

Diese zwei ersten Opfer waren keine Roma. Aber ihre Peiniger, die ein Gerücht aufgeschnappt hatten, wonach Roma in einem weißen Lieferwagen versucht hätten, Kinder zu verschleppen, hielten die Beiden für Roma.  

Dieses Gerücht, das weiterhin im Web verbreitet wird, ging auf eine Zeugenaussage bei der Polizei zurück. Diese Aussage wurde aber von den Ermittlern prompt als Erfindung entlarvt.

Das reichte nicht. Nachdem der Bürgermeister der Vorstadt Sarcelles per Facebook versichert hatte, dass sich diese „Entführung“ als Lüge erwiesen habe, giftete ein Bürger rückwendend per Web: „Es ist unglaublich, wie die Medien und Politiker die Vorfälle kleinreden“.

Ein besonderes Echo findet die Flut der im Web weiter gereichten Falschmeldungen und Vermutungen unter den Eltern von Schulkindern in den Vororten. Ein Teil der Eltern widersteht zwar dem Unsinn, andere aber munkeln auf Nachfrage sinngemäß: „Irgendetwas“ müsse schon „daran sein“, die Behörden könnten „etwas verbergen“.

 Allerdings halten Jugendbetreuer und Sozialaktivisten aus arabischen und afrikanischen Familien wacker dagegen. Das Blatt „Le Parisien“ zitiert Hocine Ras, Gründer einer Gemeinschaftsinitiative für Literatur: „Ich stelle die Besorgnis der Eltern nicht in Frage. Aber was hier passiert ist sehr gefährlich. Diese Roma-Phobie darf nicht verharmlost werden.“

„Völlig irrational“

Bisher wurden neunzehn Personen, die im Verdacht stehen an den Gewalttaten gegen die Roma beteiligt gewesen zu sein, festgenommen. Zwei Beamte wurden bei diesen Einsätzen verletzt. Die Polizei patrouilliert jetzt auch häufiger um die Wohnplätze der Roma.  

Francois Leger, Chef der Sicherheitsbehörden im Verwaltungsbezirk Seine-Saint-Denis, klagte in einem Interview im “Le Parisien“: „Das ist völlig irrational. Wir mussten ausrücken, weil eine bulgarische Familie, die einen roten Lieferwagen besaß, deswegen in ihrer Notunterkunft von einer Gruppe Jugendlicher angegriffen wurde. Die Polizei ist also zum Schutz der Familie eingeschritten. Aber im Web hieß es dann, eine Roma-Familie mit einem roten Lieferwagen sei fest genommen worden. Was können wir tun? Das öffentliche Wort hat seine Glaubwürdigkeit zugunsten von Schwachsinn aus den Netzwerken verloren.“  

 

          

Kommentare