London gegen alle: Schotten, Waliser und EU

Kalter Wind für die britische Premierministerin Theresa May - auch aus Brüssel.
Brexit: Regionen wollen Befugnisse zurück, die EU -Kommission legt den Scheidungsvertrag vor / London fühlt sich provoziert.

Mit dem Auffahren schwerer rhetorischer Geschütze regierte am Mittwoch Theresa May auf die Präsentation jenes vorläufigen Vertragstextes der EU-Kommission, der den Austritt Großbritanniens aus der EU regeln soll: "Dieser Text bedroht die verfassungsmäßige Einheit des Landes", empörte sich Theresa May, "kein britischer Premierminister kann dem jemals zustimmen." Die Zurufe der hartgesottenen Brexit-Befürworter im Parlament in London reichten von "katastrophal" bis "vollkommen inakzeptabel."

Was sich aus der Downing Street Nr. 10 anhörte, als wolle die EU das Vereinigte Königreich zerschlagen, bezieht sich auf die ungelöste Nordirland-Frage: Eine harte Grenze zwischen der Republik Irland und dem zu Großbritannien gehörenden Nordirland soll nach dem Brexit nicht entstehen. Darauf hatten sich Brüssel und London im Prinzip längst geeinigt. Weil aber London bisher kreative Vorschläge schuldig blieb, legte die EU-Kommission drei Optionen vor: Eine davon sieht vor, dass in Nordirland weiter volle Übereinstimmung mit allen Regeln des EU-Binnenmarkts und der Zollunion gilt.

Das aber würde Nordirland de facto vom Rest des Vereinigten Königreiches abschneiden – und so gehen in London die Wogen der Empörung hoch.

"Ruhig und pragmatisch blieben", empfiehlt hingegen EU-Brexit-Chefverhandler Michel Barnier. Einmal mehr wies er auf den Zeitdruck hin: Bis Oktober müssen London und Brüssel sich auf den Austrittsvertrag einigen, um den Brexit bis Ende März 2019 geordnet abwickeln zu können. Und nichts liege ihm ferner, so Barnier, als die britische Regierung provozieren zu wollen. Im Gegenteil: "Wir freuen uns, Vorschläge von den Briten zu erhalten." Generell ist der 120 Seiten fassende Vertrag noch weit von einer Einigung entfernt.

Die dünne Haut der britischen Führung mag auch damit zusammenhängen, dass sie in Folge der Brexit-Tumulte nun von mehreren Seiten bedrängt wird – und zwar von innen: Schottland und Wales begehren auf.

Im Verteidigungsmodus

Beide Landesteile wollen Befugnisse, die bisher in der Kompetenz Brüssels lagen, nach dem Brexit in ihre Regionalparlamente zurückholen. Konkret geht es dabei um die Bereiche Fischerei und Landwirtschaft.

In London aber sieht man dies ganz anders. Die Politikfelder, die unter EU-Bestimmungen fallen, werden nach dem Brexit zurück an Großbritannien gehen – und Großbritannien, das ist aus Sicht der Regierung in London ausschließlich London.

Doch Schottland und Wales schalten auf stur, haben die Eröffnung von Verhandlungen durchgesetzt: Fischerei und Landwirtschaft waren vor dem EU-Beitritt Großbritanniens unter dem Hoheitsrecht der Regionen gestanden. Und so müsse es dann wieder sein, lassen Edinburgh und Cardiff die Führung in London wissen. Dort aber beharrt die Regierung darauf, dass der gesamte britische Wirtschaftsraum einheitlich geregelt wird.

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