Lohnende Flammen: Das Geschäft mit den Waldbränden
von Andrea Affaticati
In Italien sind Flächenbrände im Sommer seit Jahrzehnten an der Tagesordnung. Und das nicht nur im Süden, in Sizilien, Apulien, Kalabrien, – auch die terrassierten Hänge Liguriens werden immer wieder vom Feuer zerstört. Wer dort ein Ferienhaus besitzt, kennt den trostlosen Anblick der verkohlten Baumstümpfe und den beißenden Geruch der mehrere Tage anhält.
Heuer brennt es in Italien besonders oft – „weil dieses Jahr der Gipfel eines fünfjährigen Zyklus ist“, erklärt Enrico Fontana dem KURIER. Er leitet die Beobachtungsstelle des Umweltverbandes Legambiente. „Warum das so ist, haben wir noch nicht herausgefunden. Fakt ist, dass alle fünf Jahre die Zahl am höchsten ist: 2007, 2012, 2017 besonders viele Brände verzeichnet.“ Laut Medienberichten, hat die Feuerwehr seit 15. Juni in Italien 37.407 Brandeinsätze geleistet. Das sind 16.000 mehr als 2020, so steht es im „Eco-Mafia Bericht“, den Legambiente erstellt.
Vom Menschen verursacht
1.200 Einsätze verzeichnete bisher die italienische Feuerwehr
46 Grad Celsius ist die Rekordtemperatur, die für diese Woche in Griechenland erwartet wird
8 Todesopfer haben die Feuer in der Türkei bisher gefordert. Die meisten Brände sollen aber unter Kontrolle sein
Neben Sardinien, wo das Feuer 20.000 Hektar Wald- und Flurflächen zerstört hat, sind auch in Sizilien Brände ausgebrochen, die im Osten der Insel die Hafenstadt Catania bedrohten. In den Abruzzen wiederum, ging am Sonntag das südlich von der Hauptstadt Pescara gelegene Naturschutzgebiet „Pineta dannunziana“ in Flammen auf. Dabei handelt es sich nur selten um Selbstentzündung, wie durch einen Blitz. 98 Prozent der Brände sind vom Menschen verursacht, entweder aus Leichtfertigkeit, oder gewollt. Letzteres trifft mit 57,4 Prozent am häufigsten zu, wie man weiter aus dem Bericht von Legambiente entnimmt. „Zwar steckt nicht immer die Organisierte Kriminalität hinter dem Feuer, doch der Grund ist fast immer ökonomisch“, sagt Fontana. Und wenn es kein wirtschaftlicher ist, dann ein Racheakt, oder ein Druckmittel gegenüber der Gemeindeverwaltung, oder es handelt sich um Drangsalierung.
Darüber weiß auch Andrea zu berichten, ein sizilianischer Jungbauer, der sich ein Grundstück am Fuße des Ätna gekauft hatte, wo Oliven-, Nuss- und Apfelbäume wachsen. Bevor er den Grund erwarb, bedienten sich die Nachbarn der Früchte. „Da das aber nach dem Kauf nicht mehr möglich war, haben sie einen Brand angelegt und einen Teil des Grundstücks zerstört.“
Ähnliches passiert seit Jahren in Griechenland oder in der Türkei, wo derzeit ebenfalls Tausende Einsatzkräfte gegen die Flammen kämpfen (siehe Grafik).
2018 starben bei Bränden um Athen mehr als 100 Menschen. Die Regierung ging von Brandstiftung aus. Es wurde vermutet, dass Spekulanten hinter den Taten stehen. Neues Bauland wird in Zonen gewonnen, die eigentlich unter Schutz stehen bzw. bewaldet sind. So geschehen 2007 im türkischen Badeort Bodrum, wo 223 Hektar Wald verbrannt sind. Der damalige Land- und Forstminister schloss Sabotage nicht aus, konnte aber nichts beweisen. 2016 entstand auf einem Teil der abgebrannten Fläche ein Luxushotel – jetzt musste es evakuiert werden.
Bauverbot
Um in Italien das Problem in den Griff zu bekommen, wurde 2000 ein Gesetz gegen Brandstiftung verabschiedet. Dieses fußt auf mehreren Säulen: Die zerstörten Flächen dürfen in den folgenden 15 Jahren nicht umgewidmet werden, zehn Jahre darf nicht gebaut werden und keine Bewaldung erfolgen. „Letzteres mag unverständlich erscheinen“, sagt Enrico Fontana von der Umweltbeobachtungsstelle. „Grund dafür ist, dass auch die Bewaldung ein lukratives Geschäft ist“. Wer ertappt wird muss mit einer Haftstrafe von vier bis zehn Jahren rechnen. Die Brandstifter zu ermitteln, ist allerdings schwierig. Im Vorjahr wurden 4.233 Fälle von mutmaßlicher Brandstiftung gemeldet, die Anzeigen beliefen sich auf 550, verhaftet wurden nur 18 Menschen.
Doch welchen Sinn macht es, Brände anzustiften, wenn die verkohlten Flächen für zehn oder mehr Jahre brach liegen müssen? Laut Fontana gibt es zwei Gründe, die eng miteinander verbunden sind. Da wäre etwa ein Schlupfloch im Gesetz. Es sieht vor, dass die Gemeinden die verbrannten Flächen im Katasterbuch eintragen, um das geltende Gesetz anwenden zu können. „Doch diese Einträge erfolgen nur sehr, sehr selten“, gibt er zu bedenken. Wer den Brand gelegt hat, weil er auf ein Geschäft spekuliert – und das ist der zweite Grund –, der muss sich nur ein paar Jahre gedulden, bis die Spuren verwischt sind und keiner mehr nachforschen kann – um sein Vorhaben umzusetzen.
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