Liz Truss muss schon jetzt um ihr politisches Überleben kämpfen

FILE PHOTO: Britain's Conservative Party annual conference in Birmingham
Nach innerparteilicher Kritik wird die neue Premierministerin die Reichensteuer nun doch nicht abschaffen. Parteikollegen sprachen von "Wahl-Selbstmord".

Angriffe auf Truss-Steuersenkungspaket für Reiche”.Meuterei". Demütigende Steuer-Kehrtwende". Die britische Premierministerin Liz Truss, die gerade ein Monat lang im Amt ist, hätte sich zum Start des Parteitags ihrer konservativen Tories in Birmingham wohl andere Schlagzeilen gewünscht. Immer wieder hat sie in ihren ersten Wochen ihre Bereitschaft betont, auch bei politischem Gegenwind hart zu bleiben.

Etwa bei ihrem von Opposition und Ökonomen kritisierten „Wachstumsplan“, der trotz Rekordinflation Zusatzausgaben in Milliardenhöhe für nicht gegenfinanzierte Steuersenkungen versprach, inklusive der Abschaffung des Spitzensteuersatzes von 45 Prozent. „Ich stehe zu dem Paket“, hatte sie noch am Sonntag gesagt, obwohl der Pfund-Kurs in den Keller gerutscht war.

Am Montag knickte sie dann aber doch ein.

Reichensteuer wird doch nicht abgeschafft

Immer mehr Kritiker, auch in der eigenen Partei, bemängelten das Steuergeschenk an Topverdiener als „unsensibel“ und unkonservativ". Manche sprachen gar von „Wahl-Selbstmord”. 

Prominente Tories wie Ex-Minister Michael Gove und Grant Shapps fanden besonders scharfe Worte und signalisierten, im Parlament dagegen stimmen zu wollen. Ein Tory-Rebell sagte Politico, bis zu 50 der eigenen Abgeordnete würden im Unterhaus gegen das Steuerpaket votieren und es so zu Fall bringen.

FILE PHOTO: Britain's Conservative Party annual conference in Birmingham

Truss (r.) mit Schatzminister Kwasi Kwarteng.

Am Montag mussten Truss und ihr Finanzminister Kwasi Kwarteng deshalb die Notbremse ziehen. Das Ende des Höchststeuersatzes sei zu einer Ablenkung geworden", erklärte Kwarteng mehr als 8 Stunden vor seiner Rede am Parteitag am Montag, die eigentlich als neuerliche Verteidigung des Plans angesetzt war. „Wir haben verstanden", meinte er. „Wir haben zugehört".  

Unangenehmes hatte es für die Truss-Regierung über das Wochenende nicht nur zu hören, sondern auch zu lesen gegeben. Die Times hatte etwa von einem Champagner-Empfang für Kwarteng mit Finanzleuten berichtet. Hedge-Fonds-Manager hätten ihn danach als „nützlichen Idioten" beschrieben. Und der Independent zitierte aufgebrachte Tory-Quellen, die warnten, Truss könnte ohne Richtungswechsel noch bis Weihnachten aus dem Amt getrieben werden. 

"Eine weitere Theresa May"

Ob sich die Regierungschefin mit der Flucht nach vorn das politischen Überleben langfristig sichern wird können, bezweifeln so manche Beobachter. Immerhin war gerade Kehrtwende" ein Schlagwort, das ihrem Vorgänger Boris Johnson regelmäßig bei seinem als chaotisch beschriebenem Regierungsstils angekreidet wurde. Ein Telegraph-Kommentator nannte Truss hingegen „eine weitere Theresa May“ und ihre Regierung „steuerlos“. 

Auch neueste Meinungsumfragen sind nicht gerade vielversprechend für die Regierungschefin. Laut YouGov fordern 51 Prozent der Briten ihren Rücktritt, inklusive 36 Prozent derer, die bei der Wahl 2019 für die Tory-Partei gestimmt hatten.  

Opinium berichtete am Wochenende, dass die oppositionelle Labour Partei bei der Sonntagsfrage nun einen massiven Vorsprung von 46 zu 27 Prozent habe. Und die Bewertung von Truss durch Wähler läge dieser Tage, so die Firma, unter der von Johnson am Höhepunkt des Partygate-Skandals um Lockdown-Partys im Regierungssitz. Nach dem Steuerdebakel muss sie also darauf hoffen, beginnend mit ihrer Parteitags-Rede am Mittwoch, das Steuer herumreißen zu können. 

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