"Jetzt kann ich endlich lesen lernen"
Anfänglich fällt den Eltern der sechsmonatigen Tigist bloß auf, dass ihre Kleine oft ins Leere starrt. Später entdecken sie einen weißen Schleier in den Augen des Babys. Doch dieser vergeht nicht von selbst, wie die äthiopischen Eltern des Säuglings vermuten, sondern wächst sich zum Grauen Star aus.
Tigist ist blind. Sie kann nicht mit anderen Kindern spielen und auch nicht die Schule besuchen. Ihr Schicksal, zumal im ländlichen Äthiopien, scheint vorgezeichnet: Ausgrenzung, Diskriminierung, soziale Isolation.
15-Minuten-Eingriff
Irgendwann erfahren die Eltern von einem Buben aus dem Nachbardorf, der (nach einer Operation) von einen auf den nächsten Tag wieder sehen konnte. Die Bauernfamilie, die gerade genug zum Überleben hat, spart sich über Jahre buchstäblich das Geld vom Munde ab, um sich die teurer Reise in ein weit entferntes Spital leisten zu können.
Als Tigist sieben Jahre wird, ist es so weit: Nach einem mehrtägigen Trip erreicht die Familie das Krankenhaus Arbaminch, das von der österreichischen Hilfsorganisation "Licht für die Welt" unterstützt wird. 15 Minuten dauert der Eingriff, bei dem die trübe Linse entfernt und durch eine klare Kunstlinse ersetzt wird. Für das Mädchen eröffnet sich plötzlich erstmals in ihrem Leben die Welt. "Jetzt kann ich endlich wie alle anderen lesen und schreiben lernen", freut sich Tigist.
Bei Weitem nicht alle Äthiopier (wie auch in vielen anderen Teilen der Welt) haben allerdings diese Chance. Denn in dem ostafrikanischen Land stehen rund 90 Millionen Menschen gerade einmal 122 Augenärzte zur Verfügung, wovon 60 Prozent in der Hauptstadt Addis Abeba ihre Praxis haben. So kommt in ländlichen Gegenden auf drei Millionen Äthiopier ein einziger Augenarzt.
Investition in Zukunft
"Deshalb versuchen wir durch Operations- und Ausbildungskurse sowie Supervisionen die Basis zu verbreitern und Fachkräfte im Land zu schulen, für eine nachhaltige Entwicklung", sagt Dr. Gerhard Schuhmann, langjähriger Vorstand von "Licht für die Welt", der immer noch für die Organisation im Einsatz ist. Im Vorjahr erreichte sie mit ihren zahlreichen Projekten insgesamt 1,1 Millionen Menschen.
Für den österreichischen Augenspezialisten, der seit 35 Jahren in Afrika aktiv ist, ist es laut eigenen Angaben "immer wieder berührend, die Freude der Menschen zu erleben, wenn sie ihre Kinder oder Enkel wieder sehen können". Mehr noch: "Sie können wieder am dörflichen Geschehen teilhaben und mit ihrer Arbeitskraft am Einkommenserwerb der Familie mitwirken", so Schuhmann. Das sei nicht nur sozial wichtig, sondern auch ökonomisch. Insofern seien die 30 Euro, die eine Grauer-Star-Operation im Schnitt koste und oftmals von "Licht für die Welt" wegen Mittellosigkeit der Betroffenen finanziert werde, eine Investition, die sich mehrfach rentiere.
Spenden: Licht für die Welt, IBAN: AT92 2011 1000 0256 6001
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