Letzter Akt im Brexit-Theater: Das sind ab heute die Hauptdarsteller
Neuwahlen, ja oder nein - und wenn ja, dann wann? In der ständig schneller ins Chaos abdriftenden Brexit-Krise, geht derzeit gar nichts mehr. Die oppositionelle Labour-Partei blockiert den Premier mit allen Mitteln, will ihn quasi dazu zwingen, vor der EU in die Knie zu gehen und um einen weiteren Auschub des EU-Austritts zu betteln. Boris Johnson wiederum hat komplett auf stur geschaltet, lieber werde er ins Grab fahren bevor er das tue. Wer also setzt in diesem Theater den nächsten Schritt, wann wird wo über Neuwahlen in Großbritannien entschieden. Der KURIER präsentiert die Hauptrollen und ihre Darsteller.
Die adeligen Kleinkrämer: Das Oberhaus
Bis heute, Freitag, sollten die „Lords“ und „Ladys“ über das Gesetz gegen einen EU-Austritt ohne Abkommen entscheiden. Mittlerweile sind die Brexit-Hardliner im britischen Oberhaus von ihrem Plan abgekommen, dessen Annahme mit einer Flut von Anträgen und Dauerreden zu verzögern.
Es galt als höchst wahrscheinlich, dass auch die obere Kammer des Parlaments sich gegen einen No-Deal-Brexit ausspricht. Damit würde das Verbot noch vor der Zwangspause des Parlaments in Kraft treten.
Der Pokerspieler: Boris Johnson
Der Premierminister ist ein skrupelloser Pokerspieler, und der Mann, der ihm dafür die Tricks ins Ohr flüstert, ist sein Chefberater Dominic Cummings. Der Mann, der beim Referendum 2016 die siegreiche Strategie der EU-Gegner entwarf, hat Johnson nun die Flucht nach vorne, in Neuwahlen, nahegelegt.
Die offene Konfrontation mit der eigenen Partei inklusive dem Rausschmiss von mehr als 20 Abgeordneten wird ebenfalls Cummings angelastet. Derzeit aber sieht es so aus, als sei der Bluff des Chefberaters aufgeflogen.
Schafft er es aber doch noch, die Neuwahlen noch vor dem Brexit durchzuboxen, könnte er sich als der einzige heldenhafte Kämpfer für den Brexit darstellen.
Der Joker und die Schreihälse: John Bercow und das Unterhaus
Stimmt das Oberhaus für das Verbot eines harten Brexit, liegt der Ball wieder beim Unterhaus. Hier soll noch einmal über Neuwahlen debattiert werden. Labourchef Jeremy Corbyn, der monatelang von Neuwahlen fantasiert hatte, ließ seine Abgeordneten am Mittwoch dagegen stimmen.
Er sagte aber deren Stimmen zu, wenn zuerst der harte Brexit verhindert wäre. Johnson will Neuwahlen vor dem Brexit (31. Oktober). Doch die könnte Parlamentssprecher John Bercow (Bild) mit Tricks hinauszögern. Und der ist stets für Überraschungen gut.
Die Aussteiger im Norden: Schottland
Die in Schottland regierende Nationalistenpartei SNP hat angekündigt die näher rückenden Neuwahlen mit der Forderung nach einem neuen Unabhängigkeits-Referendum zu verknüpfen. Zwar hat Schottland bei einem Referendum 2014 für den Verbleib bei Großbritannien gestimmt, doch der Brexit hat die Stimmung kippen lassen.
Die Mehrheit der Schotten ist für einen Verbleib in der EU und bereit, dafür Großbritannien zu verlassen. Ein neues Referendum braucht aber die Zustimmung des Parlaments in London.
Die hartnäckigen Gegner: Brüssel und die EU
Bis aus Weiteres spielen sowohl die 27 EU-Staaten als auch die Kommission im Brexit-Drama nur die Rolle von Statisten – sie haben ihre Schuldigkeit getan: Der Scheidungsvertrag zwischen EU und Großbritannien ist ausgearbeitet. Den aber will man in London nicht wegen der Notfallklausel für Nordirland (backstopp).
Doch in Brüssel heißt es klar: Am Vertrag wird nicht gerüttelt, höchstens, wenn London neue, vernünftige Vorschläge bringt. Die blieben aus – also heißt es warten, ob die Regierung in London nicht doch einen Antrag auf Verschiebung des Austritts-Datums stellt.
In diesem Fall würden die EU-27, wenn auch mit Murren, sicher Ja zu einer Verlängerung bis Ende Jänner sagen.
Die sture Königin: Queen Elizabeth II
Selten hat ein britischer Premierminister seinen Monarchen so für politische Finten missbraucht wie Boris Johnson zuletzt die Queen, als er sie quasi nötigte, das Parlament auf Urlaub zu schicken.
Elizabeth aber blieb trotzdem ihrer seit Jahrzehnten stur eingehaltenen Rolle treu: keine Einmischung in die niederen Regionen der Politik. Die inzwischen seit mehr als 60 Jahren regierende Monarchin sieht sich als Garantin für die Einheit Großbritanniens.
Was aber passiert, wenn dieses demnächst zu zerfallen droht?
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