"Leicht für Angreifer, bei weichen Zielen Unheil anzurichten"

Verstärkte Polizei-Präsenz bei "Pflasterspektakel" in Linz
In Österreich wurden die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt

Freitag, kurz vor 20.30 Uhr. Während die Polizei in München jenen Mann sucht, der in einem Schnellrestaurant und in einem Einkaufszentrum neun Menschen und später sich selbst umgebracht hat, wird ein Zug vor dem Bahnhof St. Pölten, NÖ, angehalten. Ein Asylwerber aus dem Iran hat sich in der Zug-Toilette verschanzt und schreit wild um sich. Die Worte "Bombe" und "umbringen" sollen dabei gefallen sein. Im Falle von St. Pölten ging vom Verdächtigen keine Gefahr aus. Er soll schlicht in Panik geraten sein, weil er keinen Fahrschein hatte.

Wie ein Einkaufszentrum gilt auch ein Bahnhof als sogenanntes "weiches Ziel"

"Weiche Ziele", wie sie im Polizeijargon genannt werden, sind Orte, an denen viel Öffentlichkeit gegeben ist und die deshalb beliebte Orte für terroristische Anschläge oder Amokläufe sind. Das können Verkehrsknotenpunkte, U-Bahnen, Autobusse oder Züge sein. Aber auch Konzerte, Museen, Einkaufszentren oder Massenveranstaltungen. "Solche Ziele sind schwierig zu überwachen, die Menschen schwierig zu schützen", sagt Peter Gridling, Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). An solchen Orten gibt es in der Regel keine aufwendigen Zutrittskontrollen. "Solche Ziele werden gerne genommen, weil die Täter dort hohe Opferzahlen erreichen können", sagt Gridling.

"Leicht für Angreifer, bei weichen Zielen Unheil anzurichten"
Peter Gridling
Aus polizeilicher Sicht bedeutet das: "Für einen potenziellen Attentäter oder Angreifer ist es relativ leicht, Unheil anzurichten", sagt Kurt Plösch vom Einsatzkomando Cobra und führt die U-Bahn als Beispiel an: "Es ist nicht möglich, den gesamten U-Bahn-Verkehr lückenlos zu sichern." Die Möglichkeit, dass ein Einzeltäter, wie etwa jener zuletzt in Würzburg, in Erscheinung tritt, bestehe immer. "Weiche Ziele" seien nicht Neues, würden aber immer öfter herangezogen.

Erhöhte Polizei-Präsenz

Ist dies der Fall, stellt sich in Österreich das Einsatzkommando Cobra in den Dienst. In München war die Cobra mit 44 Beamten im Einsatz.

Auch in Österreich wurden Freitagnacht die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt, etwa beim großen Straßenfest in Linz (siehe Bild).

Laut Gridling wurde die Einsatzbereitschaft der Exekutive in den an Deutschland grenzenden Bundesländern erhöht: Die Grenzen wurden überwacht, die Einsatzstäbe in die Höhe gefahren. "Wir haben sichergestellt, dass Cobra-Kräfte unabhängig vom Einsatz in München auch in Österreich jederzeit einsatzfähig sind" sagt Gridling. Patrouillen mit verstärkter Ausrüstung (sogenannte "gehärtete Kräfte") wurden aktiviert, sie waren mit Schutzwesten und Langwaffen ausgestattet. "Für den Fall, dass die Lage in München mobil geworden wäre" sagt Gridling.

Trotz des Auslandseinsatzes von Teilen der Cobra seien hierzulande "genügend Kräfte der Cobra" verfügbar gewesen. Aber: "Die 44 Kräfte, die wir nach München verlegt haben, waren Beamte, die auch in Österreich gebraucht worden wären und die wir entsprechend ersetzen mussten", sagt Gridling. Nachdem sich die Situation in München beruhigt hatte, sei die Einsatzbereitschaft der Polizei wieder auf "das normale Maß" zurückgefahren worden.

Parallel dazu werden in Österreich aber nun die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt. Grund dafür sind die Terroranschläge in Nizza und Würzburg. Die Polizeipräsenz soll an öffentlichen Plätzen, am Flughafen und Bahnhöfen verstärkt werden. "Der Terrorismus darf das öffentliche Leben nicht zum Stillstand bringen", sagt dazu Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP).

Nach wie vor herrscht laut Peter Gridling in Österreich eine "erhöhte Gefährdungslage", aber: " Wir haben derzeit keine Hinweise auf Anschlagsvorbereitungen in Österreich."

Spezialeinheiten der Polizei in Europa trainieren gemeinsam für den Ernstfall

Insgesamt 44 Beamte des Einsatzkommandos Cobra waren in der Nacht auf Samstag in München im Einsatz. Die Beamten wurden als Unterstützung der Polizei in München angefordert. Das ist laut Peter Gridling, Direktor des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, eine „normale Vorgehensweise“.

Denn zwischen Deutschland und Österreich besteht ein Kooperationsabkommen über die polizeiliche Zusammenarbeit. Ein Punkt davon ist die gegenseitige Unterstützung bei terroristischen Lagen, für die der Einsatz in München auch zunächst gehalten worden war (erst gestern, Samstag, war klar, dass es sich um die Tat eines Einzelnen handelte, die in keinen Zusammenhang mit einem Terroranschlag stand).

Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit kann aber auch rein kriminalpolizeilich erfolgen.
Österreich ist Mitglied des Atlas-Verbundes. Dieser vereint 35 europäische Polizei-Spezialeinheiten der 28 EU-Mitgliedstaaten. In diesem Zusammenhang finden immer wieder Großübungen mit Sonder- und Spezialeinheiten der Polizei europaweit statt. 2013 etwa trainierten die Spezialeinheiten der österreichischen Polizei gemeinsam mit jenen aus Deutschland und Tschechien eine Massengeiselnahme. 120 Beamte nahmen daran teil. „Die Spezialeinheiten trainieren regelmäßig miteinander, um auch im Ernstfall bestens zusammenarbeiten zu können“, sagt Kurt Plösch von der Cobra.

2017 übernimmt Österreich den Vorsitz im Atlas-Verbund.

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