Es begann mit Waheed Alli. Mitte September deckte die Times auf, dass der Multimillionär Keir Starmer mit Anzügen im Wert von 19.000 Euro und – darüber witzelten die Briten am meisten – Brillen um 2.800 Euro unterstützt hatte. Auch die First Lady profitierte. Später bekam Alli ohne Regierungsaufgabe Zutritt zur Downing Street.
Finanzministerin Rachel Reeves nahm Kleidung von einer Freundin an. Und Vize-Premier Angela Rayner wurde von der Luxusmarke ME+EM ausgestattet.
Keine Kleiderspenden
Die Labour-Politiker betonten, dass alles ordnungsgemäß (wenn auch in manchen Fällen zu spät) deklariert wurde. Dass sie, wenn überhaupt, zu transparent seien. Und doch beugten sie sich am Freitag dem Druck: Sie würden keine Kleiderspenden mehr annehmen.
Aber der Geist ist aus der Flasche. Andere Spenden wurden inspiziert. Abgeordnete aller Couleur haben im vergangenen Jahr etwa 840.000 Euro an Werbeschenken angenommen - von Taylor-Swift-Karten bis zu Helikopterflügen. Der Labour-Chef erhielt mit 78.000 Euro am meisten. Das nehmen ihm die Briten krumm.
Nichts gelernt
Dabei hätte Labour aus der Geschichte lernen können. 1997, am Beginn der letzten Labour-Regierung, wurde Premier Tony Blair wegen seiner Beziehungen zu Bernie Ecclestone kritisiert. Der Formel-1-Tycoon hatte Labour 1,2 Millionen Euro gespendet und sich daraufhin mit Blair getroffen, um eine Ausnahme der Formel 1 vom Tabakwerbeverbot zu erwirken.
2006 war Tony Blair der erste Premier, der von der Polizei befragt wurde. Die Partei hätte geheim große Darlehen erhalten und später einige der Darlehensgeber für das Oberhaus nominiert.
Unglückliche Optik
Nun dürfe man in der aktuellen Spendenaffäre zwar die britische Medienlandschaft nicht außer Acht lassen, mein Politikprofessor Tim Bale von der Londoner Queen Mary Universität: „Die Printmedien im Vereinigten Königreich sind klar und ganz offen gegen Labour.“ Es ist bezeichnend, dass die Spendenaffäre aufkam, als Labour Pensionisten den Heizkostenzuschuss kürzte und argumentierte, man müsse eben das Schuldenloch stopfen.
Und doch sollte das nicht heißen, meint Bale, dass Labour nicht zumindest eine Teilschuld trifft: „Nach Jahren des ,Tory-Schmiergeldes’ hätte sie sich der Notwendigkeit bewusst sein müssen, einen Kontrast zu den Konservativen aufrechtzuerhalten.“
Schenkungen für Politiker mögen rechtens sein, aber es hat keine gute Optik für einen Premier, der seinen Vorgänger als „Mann ohne Scham“ betitelt hat, weil er Partys feierte, als es niemand im Land durfte, sich dann selbst teure Anzüge schenken zu lassen, während britische Haushalte die niedrigsten Lebensstandards seit den 1950ern erleben.
Kein Verzeihen
Und wenn die Briten etwas nicht verzeihen können, ist das persönliches Missverhalten: Trotz all der Fehlentscheidungen zu Covid oder Brexit, was Boris Johnson zum Verhängnis wurden, waren die Partys nach Dienstschluss die gröbsten Vergehen. Dass seine Mitarbeiter Alkohol in Rollkoffern in die Downing Street karrten, während sich die Briten via Zoom von ihren todkranken Verwandten verabschieden mussten.
Den einstigen Gesundheitsminister Matt Hanock zwang weder eine hausgemachte Schutzmasken-Knappheit noch die Entscheidungen, ältere Patienten ohne Covid-Tests in die Seniorenheime zu überstellen, zum Rücktritt, sondern die Videoaufnahmen, die den damals Verheirateten im Lockdown eng umschlungen mit seiner Sekretärin zeigten.
Laut jüngsten Umfragen würde bereits jeder dritte Labour-Loyalist der Partei den Rücken zukehren - und das nächste Mal die Grünen wählen.
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