Kurz warnt: "Das ist wie ein Flächenbrand"
KURIER: Was können die 30 Außenminister, die am Dienstag bei der Europarats-Konferenz in Wien teilnehmen, maximal erreichen, um die Ukraine zu stabilisieren?
Außenminister Sebastian Kurz: Man darf sich von der Konferenz keine Wunder erwarten. Wichtig ist es aber, bei einer so angespannten Situation, wie sie derzeit in der Ukraine herrscht, im Gespräch zu bleiben und Gesprächskanäle zu bieten. Österreich ist immer wieder ein guter Boden für Dialog gewesen. Aber gleichzeitig muss man sich bewusst sein, dass es für diese derartig angespannte Lage keine einfache und schnelle Lösung gibt.
Ist angesichts der jüngsten Gewalteskalation zu befürchten, dass die Ukraine endgültig in Richtung Abgrund taumelt?
In den vergangenen Wochen hat sich die Situation noch einmal verschlechtert. Besonders im Osten der Ukraine hat sich eine dramatische Verschärfung der Situation ergeben. Zahlreiche Städte sind von Separatisten besetzt worden und es ist immer öfter zu einer Eskalation zwischen diesen Separatisten, Polizei und Militär gekommen. Aber als kleine, wichtige positive Entwicklung ist zu werten, dass die OSZE-Beobachter freigelassen worden sind. Wir haben alle kein Interesse an verhärteten Fronten und wir sollten alle kein Interesse haben an einer Neuauflage des Kalten Krieges.
Was kann man Russlands Präsidenten Putin entgegensetzen? Bisherige Strafmaßnahmen sind ja eher in der Luft verpufft.
Mag sein, dass die bisherigen Maßnahmen der EU noch zu keinem Einlenken auf russischer Seite geführt haben. Aber der Drei-Stufenplan der EU – Abbruch des Visa-Dialogs, Einreiseverbote und Kontensperren und dritte Stufe wären die noch nicht verhängten Wirtschaftssanktionen – war der richtige Weg. Denn wenn man keinen Krieg haben möchte, darf man nicht militärisch, sondern muss mit politischen Maßnahmen antworten. Und Sanktionen sind eine politische Antwort.
In Donezk und in Lugansk wollen die Separatisten am 11. Mai eine Volksabstimmung über ihre Unabhängigkeit von Kiew abhalten. Würde Österreich dies anerkennen?
Selbstverständlich nicht. Das ist ein absolut falscher Weg, dass separatistische Kämpfer, die mit Waffengewalt Gebäude besetzt haben, Volksabstimmungen abhalten wollen. Man kann nur hoffen, dass diese Personen zur Vernunft kommen.
Wie kann die Präsidentenwahl am 25. Mai unter solch schwierigen Bedingungen gültig sein?
Ich hoffe, dass sich die Rahmenbedingungen für die Wahlen noch verbessern und so gut wie möglich sein werden. Es braucht diese Wahlen. Nur durch die Wahlen kann es einen legitimierten Präsidenten und legitimierte politische Kräfte in der Ukraine geben. Diese Wahlen würden unter ordentlichen Rahmenbedingungen ganz klar zur Stabiliserung der Ukraine beitragen.
Wie kann man den Menschen Osten der Ukraine klarmachen, dass die Wahlen auch für sie gelten?
Man darf nicht glauben, dass der gesamte Osten der Ukraine gegen diese Wahl ist. Im Gegenteil. Wir haben eine stille Mehrheit im Osten, die nicht zu Waffen greift und jede Waffengewalt klar ablehnt und die selbstverständlich an den Wahlen teilnehmen möchte. Man darf nicht die bewaffneten, selbst ernannten Führer im Osten der Ukraine mit der gesamten Bevölkerung dort gleichsetzen.
Weitet sich die Krise nun auch auf den Süden der Ukraine aus?
Leider gibt es Demonstranten und bewaffnete Kräfte, die dafür bezahlt werden, dass sie Unruhe stiften und die Ukraine destabilisieren. Derzeit ist es leider Gottes wie ein Flächenbrand im Osten der Ukraine.
Könnte eine europäische Energie-Union, wie sie Polen vorschlägt, die Antwort der EU auf die russische Gas-Allmacht sein?
Im Augenblick ist das nur ein Schlagwort. Klar ist, dass wir in Europa aus dieser Krise lernen sollten. Und eine der Lehren wäre, dass wir energieunabhängiger werden müssen.
Die Nachrichten zeigen Bilder von rollenden Panzern, täglich gibt es neue beunruhigende Meldungen aus der Ukraine – das macht auch den Menschen in Österreich offenkundig Angst, wie eine aktuelle OGM-Umfrage im Auftrag des KURIER zeigt. Die Daten wurde noch vor Ausbreitung des Konflikts auf den bisher friedlichen Süden des Landes erhoben.
"Eine knappe Mehrheit glaubt zwar, dass der Ukraine-Konflikt auf die Region beschränkt bleiben wird. Aber immerhin ein Drittel befürchtet, dass es in Europa auch wieder zu einem Krieg kommen könnte. Das ist ein durchaus hoher Wert", sagt OGM-Umfrage-Expertin Karin Cvrtila.
Diametrale Unterschiede Bemerkenswert sei zudem, dass bei dieser Frage die Ansichten der Wähler von Grünen und Neos einander diametral widersprechen: "79 Prozent der Grün-Wähler glauben, dass der Konflikt regional begrenzt ist. Aber mehr als jeder zweite Neos-Wähler (53 Prozent) befürchtet ein Übergreifen des Konflikts auf uns."
Österreichs Außenpolitik ist ganz auf Linie der Europäischen Union, und das bedeutet: Russland soll wirtschaftlich und politisch sanktioniert werden. Diese Strategie befürwortet hierzulande nur eine Minderheit von 18 Prozent: "Eine klare Mehrheit der Befragten ist dafür, sich gänzlich aus dem Konflikt herauszuhalten. Das hat sicher mit Österreichs Tradition zur Neutralität zu tun, kann aber auch als Appell an die Souveränität der Staaten gesehen werden." Am stärksten sei das mit 87 Prozent bei FPÖ-Wählern zu bemerken.
Auffallend sei zudem, dass große Sympathie gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika nur bei einem kleinen Teil der Bevölkerung vorhanden ist. "Noch ist die Skepsis gegenüber Russland größer, aber auch gegenüber dem eingeschlagenen Kurs der USA haben die Menschen Bedenken", erklärt die Meinungsforscherin.
Devise: Besser raushalten "In den Köpfen der Bevölkerung kristallisiert sich schon langsam heraus, dass wir kein Anhängsel von irgendjemand sein wollen, sondern dass wir uns besser eigenständig positionieren sollten."
Auffällig sei auch, dass FPÖ-Wähler Russland gegenüber den USA (mit 24 zu 13 Prozent) bevorzugen. OGM-Expertin Karin Cvrtila: "Da gibt es eine sehr starke Ablehnung gegenüber den USA."
Kommentare