Deal mit Kurden: Assad schickt Truppen nach Nordsyrien

Wunschpartner ist Assad für die Kurden nicht, doch nach dem Angriff der Türkei gibt es in Syrien eine neue Allianz - zumindest vorläufig.

Nach dem Abzug der USA und dem Start der türkischen Militäroffensive sehen sich die Kurden im Norden Syriens zu neuen Allianzen gezwungen: Mangels Alternativen gibt es nun eine Vereinbarung mit Syriens Machthaber Baschar al-Assad.

Die Kurden in Nordsyrien haben eine solche Einigung mit der Assad-Regierung in Damaskus bestätigt. Es geht um die Stationierung syrischer Truppen nahe der Grenze zur Türkei, um das türkische Militär zurückzuschlagen.

Türkische "Aggression"

"Um diese Aggression zu verhindern und sich ihr entgegenzustellen, wurde mit der syrischen Regierung eine Vereinbarung erzielt", teilte die Kurdenverwaltung am Sonntag in einer Erklärung auf Facebook mit.

Zur Organisation der kurdischen Kämpfer: Die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) sind ein Bündnis der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und arabischer Milizen. Assad wird dieses Bündnis nun vorläufig unterstützen, wie die Kurden sagen. Ob die Kurden dafür Kompromisse bei ihrer Selbstverwaltung in Nordsyrien machen werden, ist unbekannt.

Maslum Abdi, Kommandant der von Kurdenmilizen angeführten SDF, nannte den Deal mit Damaskus am Montag einen "schmerzhaften Kompromiss".

Deal mit Kurden: Assad schickt Truppen nach Nordsyrien

Syrische Kämpfer evakuieren am Sonntag einen verwundeten Soldaten in der Nähe der Grenzstadt Ras al-Ain.

Deal mit Kurden: Assad schickt Truppen nach Nordsyrien

Türkische Soldaten in  US-Panzern unterwegs in Nordsyrien.

Deal mit Kurden: Assad schickt Truppen nach Nordsyrien

Bewohner Nordsyriens am 11. Oktober auf der Flucht in einem Pick-Up.

Deal mit Kurden: Assad schickt Truppen nach Nordsyrien

Rauch steigt am Freitag in Ras al-Ain auf.

Deal mit Kurden: Assad schickt Truppen nach Nordsyrien

Bewohner Nordsyriens heißen syrische Soldaten willkommen.

"Vorläufige militärische Vereinbarung"

Syrische Regierungstruppen waren am heutigen Montagmorgen auf dem Weg zur türkischen Grenze. AFP berichtet, dass syrische Soldaten westlich der Stadt Tel Tamer in der Nähe der umkämpften Grenzstadt Ras al-Ain stationiert worden sind.

Die syrischen Truppen seien bereits in Tel Tamer, berichteten auch die Staatsmedien am Montag. Ein führender Vertreter der syrischen Kurden sagte, die "vorläufige militärische Vereinbarung" sei begrenzt auf die Stationierung von Regierungstruppen entlang der Grenze zur Türkei: Syrische Soldaten würden in die Grenzstädte von Manbij bis Derik einziehen. Politische Fragen würden beide Seiten später diskutieren.

Kein EU-weites Waffenembargo

Die EU-Außenminister haben am Montag in Luxemburg unterdessen die türkische Militäroffensive - in einer gemeinsamen Erklärung - verurteilt. Die "einseitige Militäraktion" müsste beendet werden, die türkischen Streitkräfte sollen sich zurückziehen.

Dem Vernehmen nach leistete Großbritannien als einziges Land Widerstand gegen die Erklärung. Auf ein EU-Waffenembargo gegen die Türkei konnte man sich in Luxemburg nicht einigen, laut der Erklärung können die EU-Länder aber nationale Waffenembargos durchaus in Kraft treten lassen. Die Entscheidung, ob ein Stopp von Waffenlieferungen an die Regierung in Ankara verhängt wird oder nicht, bleibt damit bei den nationalen Regierungen.

Es sei ein einstimmiger Beschluss der EU-Mitgliedstaaten, dass sie keine Waffenexporte in die Türkei mehr durchführen, sagte Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg. Österreich hätte sich mehr, nämlich auch "ein EU-Embargo", vorstellen können. 

US-Präsident Donald Trump hat den Kurden unterdessen unterstellt, sie wollten mit der Freilassung von Terroristen des IS (Islamischen Staats) die USA in den Konflikt mit der Türkei hineinziehen. Die "Kurden könnten einige freilassen, um uns zu verwickeln", twitterte Trump am Montag.

Deal mit Kurden: Assad schickt Truppen nach Nordsyrien

Recep Tayyip Erdogan.

Erdogan lobt Abzug der USA

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat seinerseits den Abzug der US-Truppen aus Nordsyrien begrüßt. "Dies ist ein positives Vorgehen", sagte er im Hinblick auf die Ankündigung von US-Verteidigungsminister Mark Esper, bis zu tausend Soldaten aus Nordsyrien abzuziehen.

Die Berichte über den Deal zwischen den Kurden und Assad über die Entsendung von Truppen bezeichnete er als "Gerücht". Zugleich begrüßte er die Haltung Russlands zur geplanten türkischen Offensive auf die Grenzstadt Kobane. "Mit dem positiven Vorgehen Russlands wird es in Kobane keine Probleme geben", sagte Erdogan.

Den Nato-Partnern warf er vor, die Türkei nicht ausreichend zu unterstützten: "Ist dies so, weil die Türkei das einzige Land in der Nato ist, dessen Einwohner Muslime sind?"

Trump prophezeit Türkei Sanktionen

Trump verteidigte seine Entscheidung des Truppenabzugs erneut. "Glauben die Leute wirklich, dass wir gegen das Nato-Mitglied Türkei in den Krieg ziehen sollten?", twitterte er. Die US-Regierung fordert den Abbruch der türkischen Offensive und hat den Nato-Partner mehrfach gewarnt. "Große Sanktionen gegen die Türkei kommen!", twitterte Trump.

Stoltenberg gegen Anti-Türkei-Stimmung

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte davor, die Türkei in der Nato vollständig zu isolieren. Die Türkei sei wichtig für den Militärpakt. Als ein Beispiel nannte er den Kampf gegen den terroristischen IS, Verbündete hätten dabei in der Vergangenheit Militärstützpunkte und Infrastruktur in der Türkei nutzen können. Stoltenberg warnte vor einem Erstarken des IS durch eine fehlende Einigkeit der Nato-Verbündeten.

Zugleich rief Stoltenberg auch die Türkei mit deutlichen Worten zur Zurückhaltung auf. Der Nato-Chef spielte dabei darauf an, dass der Kampf gegen den IS auch durch die Militäroffensive der Türkei gefährdet wird, da die angegriffenen Kurden-Milizen ja Lager mit gefangenen IS-Terroristen bewachen. Er erwarte von der Türkei, dass sie sich mit anderen Alliierten abstimme, um Erfolge gegen den IS nicht zu gefährden.

Deal mit Kurden: Assad schickt Truppen nach Nordsyrien

Putin und Assad im Mai 2018 bei einem Treffen in Sotschi.

Kurden schlugen IS zurück

Historischer Hintergrund: Seit acht Jahren tobt in Syrien ein Bürgerkrieg. Assad ist unter anderem mit Russland verbündet und beherrscht heute wieder große Gebiete im Zentrum, im Westen und im Süden des Landes. Im April hatte die Regierung zudem eine Offensive gegen die letzte große Rebellenhochburg Idlib im Nordwesten begonnen.

Das von der kurdischen YPG geführte Rebellenbündnis SDF war im Kampf gegen die radikal-islamischen IS-Kämpfer jahrelang ein wichtiger Verbündeter der USA in Syrien.

Assad hat den Kurden in der Vergangenheit wegen ihres Bündnisses mit den USA Verrat vorgeworfen. Überdies lehnt die syrische Regierung die Selbstverwaltung der Kurden ab und will, dass kurdische Gebiete wieder unter Kontrolle der Zentralregierung fallen.

Reaktion auf türkischen Angriff

Der Deal zwischen Kurden und Assad ist als Reaktion auf den türkischen Angriff  im Norden zu verstehen. Die Türkei hatte die lang geplante "Operation Friedensquelle" am Mittwoch mit einer Militäroffensive auf syrische Orte entlang der gemeinsamen Grenze begonnen. Ankara bezeichnet die dortigen Kurdenmilizen als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit als Terrororganisation.

Gerüchte um Russland

Die neue Vereinbarung der Kurden mit Assad erfolgte den Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge in Absprache mit Russland. Aus Moskau gab es bisher allerdings keine Bestätigung.

Angesichts eines drohenden türkischen Einmarsches hatte die syrische Armee auf Bitte der Kurden bereits im Dezember 2018 Truppen an die Grenze zur Türkei verlegt.

Proteste für Kurden und gegen türkische Syrien-Offensive

Schweden für Waffenembargo gegen Türkei

In Luxemburg diskutierten die EU-Außenminister am Montag über mögliche Reaktionen auf den türkischen Militäreinsatz. Heraus kam wie erwähnt immerhin eine gemeinsame Erklärung aller EU-Staaten.

Schweden hatte sich im Vorfeld für ein EU-weites Waffenembargo gegen die Türkei ausgesprochen und will bei einer Verschlechterung der Lage auch Wirtschaftssanktionen oder Sanktionen gegen Einzelpersonen vorschlagen.

Auch Frankreich hat das Thema Sanktionen aufgeworfen. Paris will seine Bemühungen verstärken, ein "unverzügliches Ende" der türkischen Offensive zu erwirken.

Dass es schnell eine EU-Entscheidung in Richtung Sanktionen geben wird, gilt allerdings als unwahrscheinlich. Diplomaten in Brüssel verweisen darauf, dass die Türkei noch immer Nato-Staat sei und bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise als Partner gebraucht werde. Zudem gibt es die große Hürde, dass EU-Sanktionen einstimmig beschlossen werden müssten. Die EU will ihren Mitgliedsstaaten aber nationale Waffenembargos gegen die Türkei gestatten.

Holland stoppte Rüstungslieferungen

Länder wie die Niederlande haben bereits einen unilateralen, also einseitigen Lieferstopp für Rüstungsgüter angekündigt. Deutschland hat seine Rüstungsexporte an den Nato-Partner Türkei teilweise gestoppt.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits am Sonntag in einem Telefonat den türkischen Präsidenten Erdogan zum sofortigen Stopp der Militäroffensive aufgefordert. Deutschland und Frankreich warnen vor einem neuen Erstarken der Terrormiliz IS durch den türkischen Angriff. Am Sonntag hatten die Kurden und die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitgeteilt, dass rund 780 Angehörige von IS-Extremisten aus einem Lager ausgebrochen seien.

Außenminister Schallenberg sagte am Montag, er wolle, dass der Status der Türkei als EU-Beitrittskandidat nicht weiter aufrecht bleibt.

Kommentare