In der Sekunde richten die beiden Diensthabenden in der Polizeistation Korenica ihre Aufmerksamkeit auf ihre Bildschirme: In dem dichten Wald machen sie sofort die Schemen von Menschen aus.
Zeitgleich werden alle Einheiten draußen im Schnee per Funk informiert. Diese patrouillieren meist zu zweit, zu dritt oder zu viert entlang der Grenzlinie, die westlich von Bihać über den ehemaligen Militärflughafen Željava und weiter über das bis zu 1.657 Meter hohe, bis weit in den April schneebedeckte Bergmassiv Plješevica verläuft. Minenschilder erinnern daran, dass sich hier Kroaten und Serben vor dreißig Jahren erbittert bekämpften.
„Wichtig ist, dass wir hier an der Grenze präsent sind“, erklärt Mladen Matovinović. „Wenn sie uns sehen, drehen die meisten um.“ Auch die Gruppe, die vor einer Stunde angekündigt wurde, wagt heute keinen Schritt weiter.
Die kroatische Polizei ist an der Grenze zu BiH in eine Art Zwickmühle geraten: Vor ihren Augen, rund um Bihać, warten Tausende auf Einlass in die Europäische Union. Hinter ihrem Rücken erwarten namhafte Politiker von Brüssel bis Zagreb, dass die EU-Außengrenze möglichst undurchlässig bleibt. Nicht zuletzt will Kroatien bald Teil des Schengenraums werden.
Seit Jahren gibt es Kritik von Hilfsorganisationen, dass die Polizisten an der Grenze die Menschenrechte mit den Füßen treten. Vor wenigen Tagen berichtete der britische Guardian wieder einmal von illegalen Pushbacks und misshandelten Flüchtlingen.
„Wir greifen sie nicht an“
Auch Damir Kovačić kennt die Kritik. Der 50-Jährige ist mehr als sein halbes Leben Polizist. Er kann sich leichtere Dienste als hier oben im Dickicht vorstellen. Der Wind weht eisig. Und die Lage ist wie immer unübersichtlich.
Damir Kovačić schüttelt den Kopf, dann beteuert er: „Wir greifen Menschen auf, aber wir greifen sie nicht an.“ Abgesehen davon, dass er das Menschenrecht auf Asyl voll akzeptiert, sei es in Coronazeiten für ihn und seine Kollegen zu riskant, durch „nicht gesetzlich gedeckte Aktionen“ ein Extra-Risiko einzugehen.
Oft ist von der „Festung Europa“ die Rede. Auch in Kroatien wurde nach dem EU-Beitritt (2013) enorm viel Geld investiert. So hat eine stationäre Wärmebild-Kamera mehr als eine Million Euro gekostet. Sie kontrolliert jedoch auch rund um die Uhr einen zehn Kilometer langen Korridor von Bihać bis zur Grenze.
Zusätzlich wurden 150 Videokameras auf Bäumen installiert. Sie liefern Tag wie Nacht Live-Bilder. Modern ausgestattete Drohnen, Hubschrauber sowie ein Frontex-Flugzeug sorgen bei Bedarf für Überblicke aus der Luft.
Im unwegsamen Gelände
Dennoch gelingt es den Schleppern immer wieder, die eine oder andere Gruppe im unwegsamen Gelände über die Grenze in die kroatische Gespanschaft Lika-Senj zu schleusen. „Vor wenigen Tagen haben wir in einer gemeinsamen Aktion mit Europol einen Klein-Lkw mit spanischem Kennzeichen angehalten“, so Kommandant Mladen Matovinović. „Der Fahrer war Rumäne. Als die Kollegen hinten die Tür zur Ladefläche öffneten, kamen 77 Menschen dicht an dicht gedrängt zum Vorschein.“
In Kürze, wenn die Tage und Nächte wärmer werden, erwartet Matovinović noch mehr Arbeit. Auf der alten Magistrale von Karlovac nach Dalmatien ist auffallend viel Polizei unterwegs, auch in Zivil. Der Frage, ob sein Job ohne Aussicht auf ein Happy End, im Angesicht so vieler menschlicher Schicksale auf Dauer nicht traurig und müde macht, weicht der Polizist auf der Heimfahrt aus: „Wir müssen unsere Arbeit möglichst professionell ausüben. Wir haben einen klaren Auftrag. Und den versuchen wir so gut es geht zu erfüllen.“
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