Proteste: Ortstafeln spalten die Stadt Vukovar
In Vukovar haben aufgebrachte Kroaten alle kyrillischen Amtstafeln gewaltsam zerstört. Laut kroatischem Gesetz haben alle Gemeinden mit einem mehr als 30-prozentigen Anteil an serbischer Minderheit ein Recht auf zweisprachige Aufschriften. Die Umsetzung gestaltet sich schwierig, es mangelt am Willen. Die Angehörigen der serbischen Minderheit haben das Gefühl des Ausgeschlossenseins. Die Animositäten zwischen Kroaten und Serben sind nach dem kroatisch-serbischen Krieg 1991–1995 kaum abgeflaut.
Lokalaugenschein in der „Konoba kod dobre“ („Taverne zum Guten“) an der Küste Dalmatiens. Die Umgebung des einfachen Lokals in Skradin ist gewöhnungsbedürftig, zusammengeschossene Häuserruinen. Der Wirt, ein Serbe, der im kroatisch-serbischen Krieg vertrieben wurde, kehrte erst vor einem Jahr heim. Seine Gäste rekrutieren sich aus dem Bekanntenkreis. In seiner Nachbarschaft sind nur vier Häuser wieder aufgebaut. Auf dem Landweg ist Skradin, einst ein rein serbisches Dorf, nur über eine Schotterstraße erreichbar, die durch überwucherte Felder mit Warntafeln „Achtung Minen“ führt.
Vor der Vertreibung und dem grausamen Bürgerkrieg lebten knapp 600.000 Serben in Kroatien, 12 Prozent der Bevölkerung. Heute sind es 200.000, 70.000 davon nur auf dem Papier, sie leben im Westen und nützen ihre Häuser nur als Feriensitze.
Wohnrecht
„Wer bis jetzt nicht zurückgekehrt ist, kommt nicht mehr. Bis 31. August hätten die Vertriebenen ihre angestammten Wohnrechte in Kroatien geltend machen können, es waren nur wenige“, sagt Antun Zupan, Bürgermeister der Stadt Obravac. Die von Serben bewohnten Regionen gehörten zu den strukturschwachen in Kroatien, mit schlechter Infrastruktur. Die Arbeitslosigkeit liege bei über 50 Prozent, Hunderte Hektar Land liegen brach. Diskriminierung bei der Vergabe von Jobs bei Polizei, Gerichten und Verwaltung ortet Milorad Pupovac, einer der drei serbischen Abgeordneten im Zagreber Parlament. Es hapert bei der Eigentumsrückgabe, Kriegsverbrecher-Prozesse werden verschleppt.
Vukovar im Osten Kroatiens an der Grenze zu Serbien, die "Grad Heroj" (Heldenstadt), ist derzeit Schauplatz von Demonstrationen, die Wunden aus der jüngsten Kriegsvergangenheit des Landes aufreißen. Eine Gruppe von Kriegsveteranen und Nationalisten will verhindern, dass in der Stadt offizielle Amts- und Ortstafeln auch in kyrillischer - also Serbisch - Schrift angebracht werden. Von den 27.000 Einwohnern der Stadt sind ein Drittel ethnische Serben. Verfassungsrechtlich muss Zweisprachigkeit eingeführt werden.
Vukovar war die erste kroatische Stadt, die im Kroatien-Krieg (1991-95) fiel. Am 18. November 1991 nahmen serbische Paramilitärs die Stadt nach monatelanger Belagerung ein und machten sie fast dem Erdboden gleich. Davor, beginnend mit dem 25. August 1991, hatten auf kroatischer Seite die Nationalgarde, Polizei und Freiwillige in der Stadt Widerstand geleistet. Nach Schätzungen des Krankenhauses Vukovar wurden 3.000 Soldaten und Zivilpersonen getötet. Etwa 7.000 Menschen wurden in serbische Lager deportiert. Mehr als 22.000 Menschen wurden aus der Stadt vertrieben oder flüchteten. 310 Personen aus Vukovarer gelten noch immer als vermisst.
Zwei Tage nach der Einnahme Vukovars, am 20. November 1991, ereignete sich eines der schwersten Kriegsverbrechen in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg: Die jugoslawische Armee (JNA) deportierte mehr als 300 Patienten aus dem Krankenhaus Vukovar auf das Landgut Ovcara und ermordete 200 Menschen. Für das Verbrechen an den Zivilisten hatte sich der damalige serbische Präsident Boris Tadic bei seinem Besuch in Vukovar 2010 entschuldigt.
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