Für Trent Telenko, einen US-amerikanischen OSINT-Experten (Open Source INTelligence), ist es absolut möglich, Drohnen so auszustatten, dass sie die Flugabwehr eines anderen Staates überlisten können: „Ich weise seit Jahren darauf hin, dass billige, niedrig fliegende und langsame Drohnen mit der Hilfe digitaler Karten und aktuellen Bedrohungsstandorten durch die dichteste Luftverteidigung gesteuert werden können“, schreibt er auf Twitter.
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So sei wenige Wochen vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine ein Programm zur Störungsverfolgung von Boden-Luft-Raketenradaren durch kommerzielle Radarsatelliten angekündigt worden. Somit sei es möglich, die Radarschatten vorherzusagen und die Drohnen genau durch diese zu lenken.
Eine solche Planung hatte Rust nicht vorgenommen: Der Hobbypilot hatte eigentlich angekündigt, zwei Wochen durch die Nordsee zu fliegen. Nach Stopps in Keflavik und Bergen landete er in Helsinki, von wo aus er mit seiner Cessna gen Moskau startete, um ein „Zeichen für den Weltfrieden“ zu setzen.
Im Tiefflug passierte er die Grenze bei St. Petersburg und orientierte sich von dort aus an der Eisenbahnlinie in Richtung der sowjetischen Hauptstadt. Kurzzeitig begleiteten ihn zwei MiG-Kampfflugzeuge, die ihn aber nicht davon abhielten, weiterzufliegen. Als Rust Estland passierte, meldeten das die zuständigen Stellen erst zu spät – ironischerweise war der 28. Mai der Tag des Grenzsoldaten. Zeitweilig hielten die Luftabwehrkräfte Rust und seine Cessna für ein Wetterphänomen.
Pantsir-Luftabwehrsysteme
Sollte der Drohnenangriff vom Mittwoch nicht vom Kreml selbst inszeniert worden sein, bedeutet das, dass die russische Luftabwehr um Moskau massiv verstärkt werden muss, will sich der Kreml eine weitere Blamage – die es definitiv war, sollten diese Drohnen von kremlfeindlichen Kräften gesteuert worden sein – ersparen. Denn seit einigen Monaten sind bereits Pantsir-Luftabwehrsysteme in Moskau stationiert – scheinbar nicht in ausreichender Zahl.
Neue Pantsir-Systeme werden dann anderswo fehlen, etwa an der Front in der Ukraine. Seit Wochen attackieren immer mehr ukrainische Drohnen Gasspeicher auf der Krim oder Einrichtungen in russischen Provinzen nahe der Ukraine. So oder so wird Russlands Präsident Wladimir Putin Konsequenzen ziehen. In welcher Form, das ist fraglich.
Michail Gorbatschow – zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Jahre lang Generalsekretär der KPdSU, nutzte Rusts Landung in Moskau zu einer der größten Säuberungsaktionen in der Sowjetunion: Hunderte hochrangige Militärs verloren ihren Job, unter anderem wurde der Verteidigungsminister entlassen. Manche Militärs argwöhnten gar, die gesamte Aktion Rusts sei mit dem Kreml abgesprochen gewesen, um ebendiese Entlassungswelle zu rechtfertigen.
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