Kraftprobe um Slumsiedlung bei Calais
Den Flüchtlingen weht auch in Frankreich – bildlich und real – ein eisiger Wind entgegen. Die Lage im bitterkalten Slum bei Calais, am Eingang zum Ärmelkanal-Tunnel, spitzt sich zu. Gleichzeitig hat sich die sozialistische Staatsführung in der EU gegen einen permanenten Aufteilungsmechanismus für Flüchtlinge ausgesprochen, der über die vereinbarte Unterbringung von 160.000 Flüchtlingen hinausginge. Paris sei zwar bereit, innerhalb von zwei Jahren 30.000 Personen aufzunehmen – aber "keinen einzigen Flüchtling mehr", wie Premier Manuel Valls krude formulierte.
Wie so oft sind aber Zielvorgaben der Politiker und die reale Entwicklungen zweierlei. Frankreich hat zurzeit kaum Probleme mit Flüchtlingen, die vor Ort um Aufnahme ansuchen würden: Davon gibt es immer weniger, weil Frankreichs stagnierende Wirtschaft nicht sehr attraktiv wirkt.
Für Ängste aber auch Anteilnahme sorgen hingegen Tausende Flüchtlinge, die nach Großbritannien wollen (wegen der dortigen Job-Möglichkeiten und der Präsenz von Verwandten und Landsleuten), aber wegen der immer hermetischeren Abriegelung des Inselreichs in Frankreich einen Rückstau bilden.
Da sich Frankreich gegenüber den Briten verpflichtet hat, den Zugang der Migranten zu allen Kanalquerungen zu verhindern, haben die Behörden seit Jahren kaum etwas unternommen, um eine halbwegs würdige Unterbringung der Flüchtlinge in Küstennähe zu ermöglichen. Resultat: In Calais und Umgebung siedelten Flüchtlinge in Zelt- und Hüttenlagern.
Schläger und Schlepper
Sorgten die Lebensbedingungen in diesen Slums für zu viel Empörung und drohten gröbere Spannungen mit Polizei und Anrainern, wurden dann doch staatliche Aufnahme-Strukturen zur Verfügung gestellt und die illegalen Lager abgetragen. Nun ist es wieder so weit. Flüchtlinge belagern Zufahrtsstraßen zum Tunnel und dem Hafen von Calais und versuchen gruppenweise in die Sperrzone vorzudringen. Zusammenstöße mit Sondereinheiten der Polizei sind auf der Tagesordnung. Rechte Schläger lauern Flüchtlingen auf. Schlepper terrorisieren Flüchtlinge, die auf eigene Faust durchkommen wollen.
Am Dienstag sollte ein Großteil des Zelt-Lagers vor Calais geräumt werden, aber die Justiz hat einen Aufschub gewährt. Die Behörden bieten alternative Unterbringungen in einem nahen Containerdorf oder die Aufnahme in weiter gelegenen Zentren mit Aussicht auf Gewährung von Asyl in Frankreich. Doch die Helfergruppen wollen, dass die Siedlung, wo behelfsmäßig eine Schule, eine Moschee, eine Kirche, Imbissstuben und Geschäfte eingerichtet wurden, erhalten und saniert wird.
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