Narrativ eines Angriffs
Am Montag sorgte die Regierung in Belgrad dann erneut für Aufregung, indem sie die Armee in erhöhte Alarmbereitschaft versetzte. Laut seinem Verteidigungsministerium ist Vučić davon überzeugt, dass der mehrheitlich albanische Kosovo einen Angriff auf die Serben in der Region vorbereitet und deren aus Protest errichtete Straßenblockaden gewaltsam entfernen will.
Etwa 50.000 Kosovo-Serben leben als Minderheit im Norden des Kosovo, der sich 2008 einseitig für unabhängig erklärt hatte und dessen Status nach wie vor umstritten ist. Neben Serbien erkennen etwa auch Russland, China und fünf EU-Länder die Unabhängigkeit nicht an.
"Keine realen Grundlagen"
Das von Belgrad verwendete Narrativ einer Gefahr für die Serben im Kosovo hält der Südosteuropa-Experte Florian Bieber von der Universität Graz für absurd: „Dafür gibt es einfach keine realen Grundlagen“, so der Experte.
Die jüngsten Entwicklungen hält er vor allem für eine Inszenierung der serbischen Regierung. Man wolle damit Druck ausüben und politisch beim nationalistisch eingestellten Teil der Bevölkerung punkten. Das sei an sich nichts Neues, die dafür verwendete Rhetorik sei in letzter Zeit aber deutlich schärfer und die Stimmung aufgeheizter geworden.
Zu hohes Risiko
Die Gefahr eines gewaltsamen Konflikts zwischen den beiden Seiten kann sich Bieber trotz der Zündelei in der Region zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht vorstellen: „Dafür steht einfach zu viel auf dem Spiel.“ Damit meint der Experte einerseits die EU-Integration Serbiens, die etwa durch einen militärischen Versuch, sich den Kosovo zurückzuholen, kippen würde.
Andererseits meint er damit aber auch die NATO-Mission KFOR, die bereits seit Ende des Kosovo-Krieges 1999 ein Eskalieren der Lage auf dem Westbalkan verhindert. Derzeit sind rund 3.500 NATO-Soldaten aus 27 Ländern im Kosovo stationiert. Würde Serbien etwa in den Kosovo einmarschieren, müsste die NATO eingreifen.
Als bedrohlich empfindet Bieber die Geschehnisse in der Region aber durchaus, denn sie könnten zu einem Aufschwung nationalistischer, rechter Gruppierungen führen und jene Kräfte ermutigen, die eine gewaltsame Auseinandersetzung durchaus wollen.
Kommentare