Koran & "Mein Kampf" sind für Wilders eins

Geert Wilders ist nicht nur im Wahlkampf stets von Sicherheitsleuten umringt
Nach einem Umfragetief hat der niederländische Rechtspopulist wieder Siegeschancen am Mittwoch.

"Er kommt." Ein Raunen geht durch die Gruppe der versammelten Journalisten. Niemand weiß, was genau passieren wird. Hält er eine Rede? Lässt er Fragen zu? Kommen Befürworter oder gar Gegner? Bei Geert Wilders, dem Spitzenkandidaten der "Partei für die Freiheit" (PVV) scheint alles möglich zu sein.

Mit Blaulicht fahren drei schwarze BMWs vor. Elitesoldaten im Anzug steigen aus, mustern die Umgebung – die Luft scheint rein zu sein. Der Anblick wäre mit Sicherheit erhebender, würde sich nicht alles im Schatten der Amsterdamer Westautobahn abspielen, während im Hintergrund die Gastanks des Industrieviertels schimmern.

Geert Wilders steigt aus dem Wagen. Der Mann, der den Koran mit Adolf Hitlers "Mein Kampf" gleichsetzt, und für den die Europäische Union ein Pendant der Sowjetunion ist, nimmt Kurs auf die Medienvertreter, die hinter einer Absperrung warten.

Unter Polizeischutz

Die Sicherheitsvorkehrungen in diesem gut überblickbaren Gelände hat Wilders nicht ohne Grund getroffen – Ende Februar hatte einer seiner Sicherheitsmänner interne Informationen an kriminelle Organisationen weitergegeben, seitdem kümmert sich das Militär um die Sicherheit des Politikers.

Seit 13 Jahren steht Wilders unter Polizeischutz. 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche. Bereits 2002 hatte ein Linksradikaler den niederländischen Rechtspopulisten Pim Fortuyn erschossen. Als zwei Jahre später ein radikaler Islamist den Satiriker Theo van Gogh auf offener Straße mit acht Kugeln niederstreckte, brach in den Niederlanden Chaos aus: Nationalisten zündeten Moscheen an, Islamisten rächten sich, indem sie Brandanschläge auf Kirchen verübten. Wilders erhielt zahlreiche Morddrohungen – seither wechselt er angeblich täglich seinen Wohnort.

In der Öffentlichkeit lässt er sich selten blicken. Durch Twitter und Facebook erreicht er seine Zielgruppe ohnehin besser. Mit seinen Postings hält Wilders die seit 2004 angeheizte Stimmung am Kochen. "Dank Rutte (Ministerpräsident, Anm.) sind die Niederlande zum Bankomaten für viele Flüchtlinge geworden", lautet einer seiner bekanntesten Tweets.

Fragile Koalition?

Jetzt steht er an der Absperrung und unterhält sich mit einem Journalisten, den er scheinbar zufällig ausgewählt hat. "Es wird sehr schwierig, eine Regierung ohne die PVV zu bilden – ohne uns müsste das eine Koalition von vier bis sechs Parteien sein. Stellen Sie sich dieses Chaos vor. Zwar sagen unsere Konkurrenten, dass sie mit uns nicht koalieren möchten, aber wie lange soll solch ein fragiles Bündnis halten?", sagt Wilders selbstbewusst.

Nach neuesten Umfragen liegt die PVV mit 15 Prozent auf dem zweiten Platz. Knapp hinter der aktuellen Regierungspartei, der rechtsliberalen VVD. Dort war Wilders bis 2004 Mitglied, aufgrund seiner immer islamfeindlicheren Ansichten trat er aus.

Einwanderung von Muslimen

Zwei Jahre später gründete er die PVV, deren einziges Mitglied er selbst ist, und erhielt bei den Wahlen 2006 auf Anhieb 5,9 Prozent in der Zweiten Kammer, dem Niederländischen Nationalrat. "Ich habe ihn damals gewählt und werde ihn auch heuer wählen", sagt Bernd, ein Bauarbeiter aus dem Süden Amsterdams. Die Islamisierung Europas werde zu einem immer größeren Problem, außerdem hätten die Regierungsparteien ihre Wahlversprechen nicht gehalten und das Sozialsystem heruntergewirtschaftet. "Wilders kann zwar nicht alles lösen, aber wenn es ihm nur gelingt, die Einwanderung von Muslimen zu stoppen, hat er für die Niederlande mehr getan als die jetzige Regierung", ist sich Bernd sicher.

Früher habe er die sozialdemokratische PvdA gewählt, doch fühlt er sich – so wie viele Arbeiter – nicht mehr von der Sozialdemokratie vertreten. Im Moment regiert die PvdA zusammen mit der VVD, Umfragen bescheinigen der Partei jedoch einen katastrophalen Absturz: Hatte sie 2012 mit rund 25 Prozent den zweiten Platz belegt, dürfte sie am Mittwoch auf acht Prozentpunkte kommen und nur noch siebentstärkste Kraft werden.

Trump hat alles verändert

Seit Mitte Dezember haben die Umfragewerte der PVV drastisch abgenommen. Für die 24-jährige Studentin Anne aus Amsterdam hat das einen klaren Grund: "Ich dachte immer, Politik sei etwas für alte Menschen und habe noch nie gewählt. Seit Trump US-Präsident ist, weiß ich, wie wichtig es ist, zur Wahl zu gehen. Die Menschen fürchten sich vor Wilders und werden deshalb seinen Sieg verhindern."

Wilders Sieg fraglich

Es gibt noch einen anderen Grund, warum ein Sieg der PVV immer unwahrscheinlicher wird. Premier Mark Rutte hat seinen Ton gegenüber Flüchtlingen und Muslimen drastisch verschärft und fischt damit im Becken von Wilders. Dieser tönt: "Dass Rutte mich kopiert und gleichzeitig nicht mit meiner Partei koalieren möchte, zeigt wie nervös er ist".

Mittlerweile ist Wilders am Ende der Absperrung angelangt. Immer wieder hat er Fragen ausführlich beantwortet, so manche kritische Zwischenfrage jedoch strikt unterbunden. "Wollen Sie eine Antwort von mir, oder wollen Sie sie sich selbst geben?", weist er einen Journalisten zurecht, der bei einer Frage nachhaken wollte. Sein Ton ist dabei nicht unhöflich, doch bestimmt. Es scheint, als wolle er unter allen Umständen die Kontrolle behalten. So auch jetzt: Abrupt wendet sich Wilders ab und steigt in den BMW. Der Motor heult auf, die Kolonne verschwindet – so rasch wie sie gekommen ist.

Im Dezember wurde Geert Wilders als Volksverhetzer schuldig gesprochen, auch bei seinem Auftritt im Industrieviertel konnte der KURIER einige Zitate des umstrittenen Politikers sammeln. Geert Wilders über ...

... den Islam "Islam und Freiheit sind unvereinbar, ich möchte die Islamisierung der Niederlande stoppen, um Sicherheit für unsere Kinder und Enkelkinder zu gewährleisten. Dadurch, dass ich nicht mehr von dieser totalitären Ideologie importieren möchte, bin ich kein Rassist, sondern ich stärke dadurch die Demokratie. Die islamische Ideologie ist womöglich noch gefährlicher als der Nationalsozialismus."

... den Koran "Ein Buch voll von Hass und Gewalt. Es beinhaltet mehr Antisemitismus als Adolf Hitlers ,Mein Kampf‘. Ich fordere ein Verbot dieses gefährlichen Buches."

... Muslime "Ich habe nichts gegen Muslime, ich habe ein Problem mit dem Islam."

... Flüchtlinge "Jeder echte Flüchtling sollte eine Zuflucht haben. Jedoch wenn möglich in der Region, aus der er stammt. Also besser in Saudi-Arabien als bei uns in den Niederlanden."

... Donald Trump "Ich stimme nicht mit allem, was er macht, überein, trotzdem ist er viel besser als Hillary."

... die Europäische Union "Das Schlimmste überhaupt und genau wie die alte Sowjetunion. Sie hat mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit begonnen, ist dann aber zu einem politischen Projekt geworden. Wir haben unsere nationale Souveränität verloren und ich möchte, dass die Niederländer wieder ihre eigene Einwanderungspolitik machen können. Ich denke, wir können stärker werden und für uns selbst entscheiden."

... den Brexit "Das Beste. Ich hoffe, wir können folgen, denn Demokratie benötigt einen eigenen Nationalstaat."

... Homosexuelle "Ich unterstütze Homosexuelle. Ich kämpfe auch gegen den Islam, um Homosexuelle zu schützen. Daher wird meine Partei auch von vielen Homosexuellen unterstützt."

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