Kontinent der Skeptiker: Europäer lassen sich nur ungern impfen
In den 1950ern war es Elvis Presley, der sich in den Dienst der guten Sache stellte. Er ließ sich live im TV gegen Kinderlähmung impfen. Dass er danach bei „Hound Dog“ die Hüften kreisen ließ, schien viele Zuseher von der Ungefährlichkeit der Spritze zu überzeugen: Die Impfquote stieg in den USA rasant.
Heute sind es in Großbritannien etwa Stars wie „Gandalf“ Ian McKellen, die das Corona-Vakzin populärer machen sollen. Denn das Problem ist dasselbe wie damals: Es gibt eine grassierende Krankheit und auch eine wirksame Impfung dagegen – dennoch lassen sich viele nicht vom Sinn des Stichs überzeugen.
In Europa gibt es von diesen Skeptikern im weltweiten Vergleich besonders viele – und ihre Zahl ist seit Beginn der Pandemie vor neun Monaten sogar noch gestiegen. Besonders ausgeprägt ist die Zurückhaltung interessanterweise in einigen Ländern, in denen das Virus stark wütete: In Frankreich etwa wollen sich laut einer Umfrage des Imperial College London nur 35 Prozent impfen lassen; in Spanien nur 41, in Schweden 44. Auch in Österreich, traditionell impfskeptisch, ist es laut Uni Wien gerade einmal ein Drittel, das sich gleich den Stich in den Oberarm geben lassen will. Im Mai waren es noch 48 Prozent.
Woran das liegt? Erklärungen gibt es einige. So war die Impfbereitschaft schon vor der Pandemie in vielen Ländern unterschiedlich – in Frankreich etwa ist Impfskepsis seit Langem verbreitet, da es mehrere Skandale um politische Einflussnahme und Lobbying bei Impfkampagnen gegeben hat. In Österreich ist es die Angst vor Nebenwirkungen oder die fehlende Angst vor einer Erkrankung, die die Skepsis auslösen. Als Verweigerungsgrund wird aber auch die Politik angegeben – Impfskepsis hat nämlich auch mit der politischen Einstellung zu tun. Laut dem Meinungsforschungsinstitut Market lehnen vor allem FPÖ-Anhänger und politisch Indifferente das Vakzin ab, ÖVP- und Neos-Wähler sind hingegen viel offener.
In anderen Ländern, die ebenfalls schwer von der Pandemie getroffen wurden, ist die Stimmung allerdings deutlich positiver. In den USA etwa würden sich bis zu 73 Prozent impfen lassen, Tendenz steigend. In Italien sind es immerhin 52 Prozent; und den mit Abstand höchsten Wert in Europa hat das Vereinigte Königreich, das ja auch als erstes Land weltweit mit den Immunisierungen gestartet hat. 65 Prozent sind dort impffreudig.
Dass rasches Handeln den Bürgern aber nicht immer die Skepsis nimmt, zeigt das Beispiel Israel. Dort, wo man derzeit auf die Bevölkerung umgerechnet die meisten Impfungen vornimmt, will sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung nicht immunisieren lassen.Evelyn Peternel
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