Immer Ärger mit David

Camerons Wahlsieg macht die Beziehung der Briten zu Brüssel noch schwieriger.

Wie viel, oder besser gesagt: wenig Aufrichtigkeit wohl in dieser Standard-Gratulation steckte? "Ich freue mich, dich beim Juni-Gipfel wieder an deinem üblichen Platz begrüßen zu dürfen", schrieb EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag an den neuen, alten britischen Premier. Tatsächlich dürfte die Vorfreude bei der Mehrheit der Staats- und Regierungschefs äußerst gering ausfallen; einige hatten auf eine Ablöse David Camerons bei dieser Wahl gehofft.

Cameron hat sich in den vergangenen Jahren als schwieriger Partner in Brüssel entpuppt. Die Union an sich ist für ihn – wie für viele Briten – kaum mehr als ein notwendiges Konstrukt, um Zugang zum europäischen Markt zu erhalten. Den Euro hält er für einen Fehler, was er durch die Krise der vergangenen Jahre bestätigt sieht. (Dass die ungezügelte britische Finanzwirtschaft etwas damit zu tun gehabt haben könnte, ist aus Londoner Sicht eine eurokratische Unterstellung.)

Gemeinsame Positionen

Dabei ist es nicht einmal so, dass Cameron mit seinen Ansichten am Brüsseler Verhandlungstisch stets völlig allein dastehen würde. Im Gegenteil: Auch andere Regierungschefs wollten wie Cameron den gemeinsamen Sieben-Jahres-Haushalt bei den jüngsten Budgetverhandlungen kleinhalten. Auch aus anderen Staaten kamen Warnungen vor steigendem "Sozialtourismus" innerhalb der EU. Auch andere Staatenlenker hatten keine Freude damit, dass bei der EU-Wahl im Vorjahr einer der Spitzenkandidaten automatisch nächster Chef der Kommission werden sollte, wie das Parlament das wollte.

Isoliert ist Cameron aus anderen Gründen: Erstens fehlt von ihm das grundsätzliche Bekenntnis zur Union und dazu, dass sie mehr sein soll als nur der Binnenmarkt. Und zweitens beteiligt sich Cameron oft schlicht nicht an den Debatten.

Europa wartet nicht

So haben Camerons Tories schon vor Jahren mit der Europäischen Volkspartei gebrochen, weil sie ihnen zu pro-europäisch war. Bei der jüngsten EU-Wahl führte das dann dazu, dass Cameron & Co. zunächst ignorierten, dass Sozial- und Christdemokraten europaweite Spitzenkandidaten nominierten, dann das Ergebnis dieses Prozesses ablehnten – und am Ende überstimmt wurden.

Denn Europa wartet nicht mehr auf die Briten, jedenfalls nicht freiwillig. Wo es geht, arbeitet man eben ohne Beteiligung der Insel enger zusammen – wenn es sein muss, mit auch zwischenstaatlichen Verträgen, bei denen das Königreich dann kein Vetorecht hat. Gut ist diese Entwicklung für beide Seiten nicht. Cameron hat Partner und Einfluss in Brüssel verloren. Der EU ist nach innen ein Gegengewicht zur deutschen Dominanz, nach außen einer seiner letzten Big Player auf der Weltbühne abhanden gekommen. In der Ukraine-Krise war Großbritannien kaum zu sehen, für die EU reisten Vertreter von Deutschland, Frankreich und Polen nach Kiew und Moskau.

Nach Camerons Wahlsieg muss man sich in Brüssel auf schwierige Verhandlungen im Vorfeld der geplanten Volksabstimmung der Briten einstellen (siehe Artikel unten). Das Ziel ist klar: Großbritannien soll nicht nur in der EU bleiben, sondern auch wieder aktiv an ihrer Entwicklung teilhaben.

Vor Ende 2017 will David Cameron die Briten über den Verbleib in der Europäischen Union abstimmen lassen. Um besser für ein „Ja“ zur EU-Mitgliedschaft werben zu können, will der alte, neue Premier vor dem Referendum einen neuen „Deal“ mit Brüssel aushandeln. Im Conservative Manifesto, dem Wahlprogramm der Tories, hat Cameron schon sehr detailliert beschrieben, was er alles nachverhandeln will.
Neben einer nicht genauer ausgeführten „weiteren Reform der gemeinsamen EU-Agrarpolitik“ zielen praktisch alle Punkte darauf ab, dass es Einwanderern aus anderen EU-Staaten schwerer gemacht werden soll, in Großbritannien Sozialleistungen zu beziehen – und zwar unabhängig davon, ob sie arbeiten oder nicht. Damit wollen die Tories die Einwanderung vom Kontinent weniger attraktiv machen und so drosseln.

Die Ideen im Detail:

- EU-Ausländer sollen erst nach vier Erwerbsjahren auf der Insel Anspruch auf Kindergeld erhalten. Das soll auch für die „Tax Credits“ gelten, mit denen Geringverdiener unterstützt werden.
- Kindergeld soll es nur noch für Kinder geben, die auch in Großbritannien leben – unabhängig davon, wie lange man schon ins britische Sozialsystem eingezahlt hat.
- Soziales Wohnen soll EU-Einwanderern erst zugänglich sein, wenn sie mindestens vier Jahre in einem Bezirk gewohnt haben.
- Arbeitsuchende sollen künftig keine Unterstützungen mehr erhalten. Wer nach sechs Monaten keinen Job gefunden hat, „muss zwingend das Land verlassen“.
- Nach der nächsten EU-Erweiterung sollen die Bürger aus den neuen Mitgliedsstaaten erst dann von der Personenfreizügigkeit profitieren, „wenn sich diese Volkswirtschaften viel näher an jene der bestehenden Mitgliedsstaaten angenähert haben“.

Einige Punkte wird Cameron kaum durchsetzen können; vor allem die Diskriminierung arbeitender EU-Ausländer ist ein Angriff auf die EU-Grundfesten. „Das wäre nur mit einer Änderung des Primärrechts möglich – aber ich kann mir schwer vorstellen, dass er das durchbringt“, sagt Walter Obwexer, Europarechtsexperte an der Uni Innsbruck, zum KURIER.

„Diese Tür ist offen“

Für Camerons Ziel, den „Sozialtourismus“ einzuschränken, braucht es aber gar keine Zugeständnisse aus Brüssel – und schon gar keinen neuen Vertrag. „Diese Tür ist schon offen, da muss Großbritannien nur durchgehen“, sagt Obwexer. Denn schon jetzt hat man als EU-Bürger nur das Recht, sich drei Monate in einem anderen Mitgliedsstaat aufzuhalten, um Arbeit zu suchen – ohne Anspruch auf Sozialleistungen. Und wer nach diesen drei Monaten keinen Job gefunden und keine Reserven hat, um ohne staatliche Unterstützung zu leben, dem kann schon heute die Aufenthaltsgenehmigung entzogen werden.

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